Jocob Heilbrunns Abrechnung mit den Neocons beginnt mit einem Kunstgriff:
Er beschreibt die Wunschentwicklung, welche der Irak nach dem Sturz Saddam Husseins nach der Vorstellung der Neocons hätte nehmen sollen, und stellt sie der chaotischen und gewalttätigen Realität, die insbesondere zum Zeitpunkt, als das Buch geschrieben wurde (2007), im Irak herrschte, gegenüber.
Gemessen an der neokonservativen Idealvorstellung erscheint der Irak-Krieg als ein totales Scheitern. Dieses Scheitern ist die Prämisse, die Heilbrunn all seinen Bewertungen der neokonservativen Sache zugrunde legt.
Der (Miß)erfolg des Irak-Kriegs kann jedoch nicht ausschließlich am Erreichen der Maximalziele gemessen werden, sondern an einer Abwägung der Vor- und Nachteile. Trotz der wesentlichen Verbesserung der Sicherheitslage ist es für mich nach wie vor viel zu früh, abschließend über Erfolg oder Mißerfolg des Irak-Kriegs zu urteilen.
Für Heilbrunn handelt es sich beim „Neokonservatismus“ um ein „jüdisches Phänomen“
Versteht man unter den „Neokonservativen“ wirlich nur die trotzkistischen New Yorker Intellektuellen, die nach dem Krieg aufhörten, die kapitalistische USA als Feindbild zu betrachten, mag seine These wohl stimmen.
Gerade die Beschreibung dieser untergegangenen noch sehr jüdisch-osteuropäischen Welt ist eine der Stärken des Buches. Figuren, die aus Isaak B. Singers Romanen stammen könnten, werden von Heilbrunn detailreich und mit viel Insider-Wissen beschrieben.
Allerdings wird die Bezeichnung „Neokonservativer“ (auch vom Autor selbst) viel weiter verstanden: und zwar als herabwürdigende Bezeichnung für Alle, die an eine (auch gewaltsame) Verteidigung und Verbreitung amerikanischer Werte wie Demokratie und Freiheit glauben. Insbesondere natürlich die Befürworter des Irak-Kriegs.
Heilbrunn weist an Hand der jüdischen „historischen Neokonservativen“ im engeren Sinne die „Jüdischkeit“ der gesamten neokonservativen Agenda nach.
So interessant sich die Beschreibung der jungen sektirerischen Trotzkisten liest, so ungerecht ist die Beurteilung ihrer antikommunistischen Konversion.
Die Abkehr vom Trotzkismus war nach Heilbrunns Ansicht ein opportunistischer Schritt, den jene Menschen, welche zu Beginn des zweiten Weltkriegs auf Grund ihrer kommunistisch-utopistischen Sicht noch Hitler, Stalin, Churchill und Roosevelt als gleiches imperialistisches Übel angesehen hatten, nach Amerikas Sieg über Hitler aus eigennützigen Motiven vollzogen.
Aber waren die Erkenntnisse über die schrecklichen Ereignisse des 2. Weltkriegs nicht der beste Grund, den eigenen ideologischen Utopismus zu hinterfragen?
Heilbrunn wirft den ehemaligen Trotzkisten zu Recht vor, sogar noch zur Zeit des Kriegseintritts nicht Hitler als Hauptfeind angesehen zu haben.
Aber ist das nicht genau derselbe Relativismus, der von altlinken Intellektuellen wie Noam Chomsky bis zum heutigen Tag praktiziert wird?
Trotz der von utopistischen Ideologien verursachten Tragödien des 20. Jahrhunderts einfach weiterhin am eigenen Utopismus festzuhalten, erfordert ein gehöriges Ausmaß an unkritischem Konservatismus.
Der neu entdeckte Konservatismus der Neokonservativen bezog sich hingegen auf Werte, die zwar im Gegensatz zur kommunistischen Utopie kein Paradies auf Erden mehr versprachen, aber nach allen Erfahrungen, die man gemacht hatte, doch auch als erhaltenswert erschienen.
Heilbrunn reduziert Norman Podhoretz zu einem jüdischen Plebejer, der aus Selbsthass und Minderwertigkeitskomplexen gegenüber den Patriziern des WASP-Establishments zu einem rechten Unmenschen wird. Diese herablassenden Betrachtungen, die viel über den eigenen Snobismus des Autors aussagen, werden mit Klatsch über Podharetzs Schulzeit – er soll ein unsympathischer Streber gewesen sein – unterlegt.
Der Autor bedauert, dass auch nach dem Scheitern im Irak die „neokonservative Agenda“ nicht verschwinden wird – das liegt aber wohl daran, dass sich die schweren Herausforderungen unserer Zeit auch ohne Neokonservative nicht einfach auflösen werden.
Schlagwörter: Neocons
Juni 4, 2009 um 9:47 am |
[…] werden, oder zumindest wie bei seinem zweiten großen Erfolg George W. Bush und die teuflischen Neocons vorgeführt […]
August 25, 2009 um 8:02 pm |
[…] Werden die USA unter Obama abziehen und das Feld den „gemäßigten Taliban” überlassen, wird natürlich auch nicht er schuld an ihrer wohl darauffolgenden Schreckensherrschaft sein, sondern der naive Bush und die verschlagenen Neocons bzw deren zukünftige Nachfolger. […]
Februar 14, 2010 um 1:10 pm |
[…] Ein böser Neocon? […]
April 17, 2012 um 4:02 pm |
Eine grundlegende Fehlannahme liegt schon bei den Begriffen: Amerikanische Werte wie Freiheit und Demokratie.
Sind dann deutsche Werte etwa Ordnung und Pünktlichkeit?
Italienische Werte Kreativität und Improvisationskunst.
Was für armselige Begriffsschaumschlägereien.
Mai 29, 2012 um 8:37 pm |
[…] von Carters bzw. Brzezinkis afghanischer ”Realpolitik” mussten dann von den “Neocons” aufgeräumt […]
Januar 14, 2013 um 10:13 am |
[…] Gegner der Neocons wird er auch in Europa als “guter Republikaner” […]
März 18, 2013 um 3:59 pm |
[…] am erträumten Maximalziel mögen die Amerikaner im Irak gescheitert […]
August 27, 2014 um 11:28 am |
[…] Ein böser Neocon? […]
August 27, 2014 um 11:35 am |
[…] Ein böser Neocon? […]