Archive for August 2009

Israelkritische Dialektik

August 31, 2009

„Einen Exiljuden gehe die österreichische Innenpolitik nichts an“

Diese Aussage des Vorarlberger FPÖ-Chefs war für die konservative Volkspartei ein Grund, die Koalition mit der FPÖ zu beenden..

Für den linksliberalen Profil-Journalisten Georg Hoffmann-Ostenhof war es hingegen ein Anlaß, HC Strache „auf den ersten Blick“ Recht zu geben:

„Wo Strache Recht hat – und warum sich Stockholm bei Jerusalem nicht entschuldigen muss.“

Während die Nachfolgepartei der Erfinder des „Antisemitismus“-Begriffs mittlerweile gesunde Reflexe gegen Antisemitismus entwickelt zu haben scheint, glaubt der ehemalige „Revolutionäre Marxist“ dem FPÖ-Parteichef HC Strache „eine Antwort schuldig“ zu sein:

„Bei aller Genugtuung ­darüber, dass der Vorarlberger Landeshauptmann und VP-Chef Herbert Sausgruber nun einer Koalition mit der Egger-Partei eine Absage erteilt, und bei aller Freude über die öffentliche Entrüstung muss dennoch auf die auf den ersten Blick stimmige Verteidigung Straches geantwortet werden.“

Wer ein Antisemit ist – bestimmt schließlich immer noch der 68er.

Der Vorliegen von Antisemitismus wird auf den „zweiten Blick“ dann doch festgestellt:

Exiljude“ mag per se nicht pejorativ sein. In Österreich und Deutschland ist aber, wenn es um Juden geht, nichts „per se“. Scheute man sich nach 1945 nicht mit gutem Grund, hierzulande überhaupt das Wort „Jude“ in den Mund zu nehmen? Da hieß es: „unsere jüdischen Mitbürger“ oder die „Österreicher mosaischen Glaubens“. Ein Echo aus jener Zeit, in der „Jude“ nicht nur als Schimpfwort galt: Er war schlicht ein Untermensch, und wer als solcher bezeichnet wurde, war dem Tode geweiht, wenn ihm die Flucht nicht gelang.

Eine Gefahr sei darin jedoch kaum zu erkennen:

Dass die FPÖ in Wahlkampfzeiten ganz bewusst mit rassistischen Slogans zu punkten versucht, ist klar. Dass aber, wie jetzt vielfach angenommen wird, Eggers Attacke auf den „Exiljuden“ Loewy klug kalkulierte Strategie war, um zum einen rechtsradikale Stammwähler zu mobilisieren und zum andern mittels dieser Provokation mediale Aufmerksamkeit und Präsenz zu erlangen, ist zu bezweifeln. Da dürfte eher stimmen, was Loewy meint: dass es „mit Egger durchgegangen ist“ und offenbar die dummen antisemitischen Affekte „ziemlich tief sitzen müssen“. Gegen die Annahme, Egger habe bloß strategisch gehandelt, spricht auch die Empirie: Wann immer die FPÖ in den vergangenen Jahren mit judenfeindlichen Äußerungen die Wähler verführen wollte, ging das schief. Antisemitismus mag in Österreich tief verwurzelt sein. Als politische Waffe ist er Gott sei Dank, wenn ihm offen und energisch entgegengetreten wird, stumpf geworden.

Genauso seien die Schweden trotz antisemitischer Ausfälle sowieso „sehr viel weniger antisemitisch“ als die Österreicher:

Schweden ist sicher sehr viel weniger antisemitisch als Österreich. Trotzdem herrscht zwischen Jerusalem und Stockholm seit vergangener Woche Eiszeit. Andeutungen und Spekulationen in einem Zeitungsbericht der Boulevardzeitung „Aftonbladet“, wonach israelische Soldaten Palästinenser getötet hätten, um ihnen Organe zu entnehmen, sorgen in Israel für Empörung. Die schwedische Öffentlichkeit interpretiert den Artikel – so wie die israelische – als antisemitische Verschwörungstheorie.

Ist man in marxistischer Dialektik geschult, kann einen selbst ein antisemitischer Ausfall eines Vorarlberger Provinz-Politikers  zu einer „berechtigten Israel-Kritik“ inspirieren:

Jerusalem aber will eine offizielle Entschuldigung aus Stockholm, was dort aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt wird: „Die Meinungsfreiheit gilt hier als sakrosankt – die Regierung wird den Artikel nicht verurteilen.“ Der Konflikt eskaliert: Man werde künftig bei allen Akkreditierungen von schwedischen Journalisten sorgfältig prüfen, „was sie oder er bisher über Israel geschrieben hat“, lässt nun die israelische ­Regierung verlauten.
Damit aber wird erst so recht klar, worum es dieser wirklich geht: Benjamin Netanjahu und seine Minister haben den obskuren Boulevardartikel hochgespielt, um mit dem Antisemitismus-Vorwurf die kritische Berichterstattung der schwedischen Medien über die israelische Politik zurückzudrängen. Das wird wohl nicht gelingen.

Die Rückkehr der „Realpolitik“

August 25, 2009

Der große Welterklärer Peter Scholl-Latour fordert wieder einmal eine Rückkehr zur „Realpolitik“ ein, nachdem die naiven Neocons mit ihrem „Demokratie-Zirkus“ gescheitert seien.

Hält man seiner Forderung nach einem Abzug aus Afghanistan das Argument entgegen, dass die Al Qaida und die Taliban dann wieder ihre Terror- und Unterdrückungs-Basis erhielten, werden einem vom großen Welterklärer folgende Fragen (die er auch gleich selbst beantwortet) im empörten Ton entgegengeschleudert:

„Wer hat denn die Al Qaida erschaffen? Die Amerikaner, um die Sowjets im Afghanistankrieg zu bekämpfen.“

„Wer hat denn die Taliban erschaffen? Die Amerikaner, um den afghanischen Bürgerkrieg zu beenden.“

Weder Al Qaida noch die Taliban waren jedoch in irgendwelchen neokonservativen amerikanischen Labors gezüchtet worden, sondern die USA (zunächst die Carter-Administration und später die Clinton-Administration) hatte – den Weg des geringsten Widerstands suchend –  in idealtypisch „realpolitischer“ Manier das genommen, was gerade zur Verfügung stand, um ihre Ziele zu erreichen, ohne dabei einen einzigen Soldaten opfern zu müssen. (man hatte aus Vietnam die „richtigen“ Lehren gezogen)

Was könnte man besser als „Realpolitik” bezeichnen als diese indirekte Bekämpfung des sowjetischen Feinds durch die Unterstützung irgendwelcher dubioser Gruppierungen vor Ort (aus denen später tatsächlich die Al Qaida und die Taliban hervorwuchsen)

Carters Berater Zbigniew Brzezinski, heute im Obama-Team, ist immer noch mächtig stolz auf seine schlaue Politik von damals.

Wenn man seiner Narrative folgt, nach der durch seine genialen Pläne der Sturz des Kommunismus eingeleitet worden sein soll, erscheinen andere „realpolitische“ Meisterzüge wie die Operation Ajax, die angeblich nur eine läppische Million Dollar  gekostet haben soll, oder Kissingers Unterstützung von Pinnochets Putsch gegen Allende als kleine Würfe.

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Bushs und Blairs hehre „neokonservative“ Ziele, den „edlen Wilden“, die „westliche Demokratie“ aufzuzwingen, mögen naiv gewesen sein – die „realpolitische” taktische Unterstützung der Mudschaheddin, aus denen später die Al Qaida hervorging (um ohne eigenes Blutvergießen die UdSSR zu bekämpfen) u. Taliban (um ohne eigenes Blutvergießen den Bürgerkrieg zu beenden) fallen jedoch eindeutig unter die Carter bzw. Clinton Ära.

Werden die USA unter Obama abziehen und das Feld den „gemäßigten Taliban” überlassen, wird natürlich auch nicht er schuld an ihrer wohl darauffolgenden Schreckensherrschaft sein, sondern der naive Bush und die verschlagenen Neocons bzw deren zukünftige Nachfolger.

Pressefreiheit auch für miesen Journalismus

August 24, 2009

Der Artikel im schwedischen Boulevard-Blatt „Aftonbladet“ ist exemplarisch für miesen, unfundierten Tratsch-Journalismus. Pressefreiheit beinhaltet jedoch auch schlechten Journalismus (wie in der genannten Zeitung) – sei er von bösen, reichen, einflußreichen Finsterlingen wie Dichand, Murdoch oder Berlusconi gesteuert oder von den elitären Qualitätsmedien wie ORF, BBC oder NY Times produziert.

Pressefreiheit hat nichts mit gutem oder schlechtem Journalimus zu tun, sondern damit, ob der Staat freie Meinungsäußerung zulässt oder nicht (siehe Iran, Kuba, China und sämtliche arabische Staaten)

Vom schwedischen Staat eine Verurteilung des Artikels zu fordern, zeugt daher von einem falschen Verständnis von demokratischen Grundrechten. Es  ist nicht die Pflicht des schwedischen Staates, sich für einen miesen Journalisten zu entschuldigen, solange dieser im Rahmen der schwedischen Gesetze sein Recht auf Meinungsfreiheit ausübt.

Ausgerechnet die Israelis sollten es besser wissen – und das hat nicht das geringste mit den von deutschen Israelkritikern gern eingemahnten „Lehren des Holocausts“ zu tun – sondern mit der eigenen demokratischen Geschichte, in der Israel trotz Krieg und Existenzbedrohung bis jetzt ein Verfassungsstaat mit Grundrechten wie dem Recht auf Meinungsfreiheit geblieben ist.

Nirgendwo wird Israel schärfer kritisiert als in den eigenen Medien wie der Haaretz – oft auch auf  journalistisch unseriöse und sehr schädliche Art und Weise. Trotzdem sollte jedem vernünftigen Israeli klar sein, dass ein Verbot der Haaretz eine Demontage des demokratischen Verfassungsstaats Israel bedeuten würde.

Würde sich Israel vom demokratischen Verfassungsstaat verabschieden, würden Relativisten wie Peter Scholl-Latour, die „Freedom and Democracy“ als westliche Illusion, die sich nicht mit der Mentalität der „edlen, wilden Orientalen“ verträgt, betrachten, am Ende doch Recht behalten.

Folgerichtig hat Peter Scholl-Latour in einer TV-Diskussion auch seine eindeutigen Präferenzen für den schneidigen Netanyahu im Gegensatz zum schwächlichen Olmert bekundet. Sowie der „Große Welterklärer“  leider jeden Hardliner anfeuert, der seinen Prophezeihungen von der „Untauglichkeit der westlichen Demokratie“ zur Erfüllung verhelfen könnte.

Mixed by Walter Gibbons

August 21, 2009

Heute mache ich es wie mein – hoffentlich bald wieder gesunder – Lieblings-Blogger und poste ein wenig Musik:

Wenn „Walter Gibbons Mix“ draufsteht, können sich Soul/Disco/House-Fans sicher sein, voll auf ihre Kosten zu kommen.

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Wer würde vermuten, dass hinter „Walter Gibbons Mix“ ein derartiges Milchgesicht steckt?

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Neuestes Protokoll der Weisen von Zion

August 17, 2009

Die USA, Großbritannien und Israel seien an einer Destabilisierung der Lage im Nordkaukasus interessiert.

Wie praktisch!

Wenn „der Westen“ hinter solchen Verbrechen stecke, dann dürfe es es „dem Westen“ auch nicht zustehen,  das russische Imperium und seine Vasallen wegen ein paar ermordeten Kritikern zu maßregeln.

Die Rhetorik des sowjetischen „Antiimperialismus“, die von Putins KGB-Clique aus der Zeit des kalten Krieges herübergerettet wurde, findet unter hiesigen Linken etliche Fans, obwohl Russland keinen ideologischen Weltverbesserungs-Auftrag mehr hat.

Putins Russland knüpft an die antisemitische Hetze des slawischen Chauvinismus an, die viele russische Juden erst zu Anhängern einer kommunistischen Revolution gemacht hatte.

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(Deckblatt einer 1912 von Sergej Nilus publizierten Ausgabe der Protokolle)

Der hohe Anteil an Juden unter den russischen Revolutionären diente den deutschen Antisemiten wiederum als Beweis für den „jüdischen Charakter des Bolschewismus“, der nach Hitlers Ansicht in Wahrheit von „Hochfinanz-Juden“ aus den USA und Großbritannien gesteuert wurde.

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Die gute alte „Racist Card“

August 13, 2009

In den USA wird gerade heftig über Obamas Pläne für eine staatliche Krankenversicherung gestritten.

Auf altbewährte Art und Weise reduziert der Spiegel das komplexe Thema auf die „Rassen-Karte“, die „von der Republikanischen Partei schon seit Jahrzehnten mit Erfolg“ bei der „ängstlichen weißen Mittel- und Unterschicht“ ausgespielt werde:

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40 Jahre „Helter Skelter“

August 10, 2009

Die amerikanische Hippie-Bewegung verlor vor 40 Jahren, als eine Gruppe junger Frauen und Männer die hochschwangere Sharon Tate und 6 weitere Menschen abschlachtete, ihre Unschuld:

Den Auftrag hatten sie von einem asozialen Psychopathen bekommen, der sein halbes Leben im Gefängnis verbracht hatte.

Dieser hatte sich wiederum eingebildet, seine Aufträge durch Songtexte der Beatles erhalten zu haben.

Die jungen Frauen aus der amerikanischen Mittelschicht ließen sich vom Ex-Knacki Manson bereitwillig manipulieren, prostituierten sich für ihn und mordeten  schließlich für ihren spirituellen Führer, der sich bei dem von ihm geplanten Gemetzel nicht selbst die Hände schmutzig zu machen brauchte.

So wie in Deutschland die RAF zu einem krankhaften Auswuchs der Studentenbewegung pervertierte, war die „Manson Family“ der schlimmste Auswuchs der am Anfang so jugendlich-unschuldigen Hippie-Bewegung.

Heute wirken die Mörderinnen im Gegensatz zum Anstifter wieder völlig vernünftig – sie haben sich mit ihren Taten auseinandergesetzt und den faulen Zauber der „Family“ abgeschüttelt.

Trotzdem wird ihnen bis heute die Begnadigung versagt. Das Rache-Bedürfnis der Opfer-Angehörigen, die die Mörder ihrer Lieben für immer hinter Gittern sehen wollen, wiegt in den USA schwerer als das Recht der Täter, bei echter Reue staatliche Vergebung zu finden.

Völlig anders als in Deutschland, wo RAF-Mörder trotz ihrer Weigerung, die genauen Umstände ihrer Verbrechen endlich aufzuklären (also einem wohl schweren Mangel an Reue), begnadigt wurden.

Beides für mich keine idealen Systeme…

Natalie Bracht und der Muslim-Markt

August 2, 2009

Die 35jährige Natalie Bracht war auf Grund einer möglicherweise drohenden Gefährdung ihrer 5 Kinder in England zur landesweiten Fahndung ausgeschrieben:

bracht

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Dank dieser obskuren „Pazifisten“-Seite:

http://kriegspostille.blogspot.com/2009/08/httpdejure.html

ist es mir gelungen, den Inhalt der gelöschten Muslim-Markt-Kampagne zu bergen – er sollte der Nachwelt als historisch interessantes Dokument ;) erhalten bleiben:

Muslim-Markt interviewt
Natalie Bracht, ihr wurden fünf Töchter von den Behörden entzogen
23.9.2009

Natalie Bracht, geborene Brown (Jahrgang 1975) ist in Deutschland als Tochter einer Jüdin und eines Briten geboren und aufgewachsen (z.T. in den Niederlanden). Ihr Abitur macht sie an der Free Masonic School for Girls in den Niederlanden. Nach der Schule hat sie eine Ausbildung zum Steinmetz absolviert. Es folgte eine Studium von Sprachen (Hebräisch, Russisch, Polnisch, Surinams – daneben spricht sie perfekt Deutsch, Niederländisch und Englisch) und ein weiteres Studium der Architektur. In der Zeit ab 1995 war sie verheiratet mit einem Deutschen Christen, mit dem sie zwei Töchter hat. Die Ehe scheiterte nach zwei Jahren. Nach der Scheidung erhielt sie das alleinige Sorgerecht. Es folgte eine Heirat in einer Synagoge (1997) mit einem deutschen Juden, den sie in der linkspolitischen Szene kennen gelernt hat. Mit ihm hat sie drei Töchter. Sie hat damals seinen Nachnamen angenommen.

Mehrere Reisen des Ehemanns nach Israel führten zu einer ersten Zerrüttung der Ehe aufgrund der inhaltlichen Umorientierung des Ehemannes – nach Vorstellung von Frau Bracht – in eine zionistisch orientierte Ausrichtung, die ihren damals „linken“ Idealen widersprach. Eine scheinbar zwischenzeitliche Verbesserung der Beziehung führte zur nachträglichen standesamtlichen Heirat, allerdings erst im Februar 2003; aus heutiger Sicht eine der Ursachen für spätere Probleme. Die Kinder aus erster Ehe wurden durch den Ehemann bei der standesamtlichen Eheschließung namentlich übernommen, so dass alle vier damals lebenden Töchter den Namen Bracht annahmen. Bereits im April 2003 – acht Wochen nach der standesamtlichen Eheschließung – verließ der Ehemann die Familie erneut auf eine Reise. Danach kehrte er monatelang nicht wieder zurück. Sein Aufenthaltsort war dem Rest der Familie unbekannt. Im Mai 2003 wurde die jüngste Tochter geboren, ohne dass der Vater in der Nähe war oder nach dem Kontakt gesucht hätte. Er meldete sich erst sieben Monate nach der Geburt. Seine ultimative Forderung der Neuausrichtung der Familie wurde von Frau Bracht – die Familie lebt nach wie vor in Deutschland – und den älteren Töchtern nicht mitgetragen, so dass Herr Bracht die Scheidung eingereicht hat. Während des Scheidungsverfahrens 2005 erhält Frau Bracht das Sorgerecht und Herr Bracht ein Umgangsrecht, was er allerdings nur im Beisein seiner eigenen Mutter (Großmutter der Kinder) wahrnehmen darf. Dieses Recht hat er allerdings nie wahrgenommen.

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Die Mutter aller Verschwörungen

August 1, 2009

Wer steckt hinter dem Mord an John F. Kennedy?

Dank Oliver Stones „JFK“ hat sich eine reißerische Story, die aus CIA, Mafia, Exilkubanern und finsteren Südstaatlern gestrickt ist, gegen alle historischen Fakten durchgesetzt.

Die Geschichte des Attentäters wird bei dieser Narrative weitgehend ausgeblendet. Dabei hätte die Beschäftigung mit dessen Psyche und Motivation einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, um zukünftige ähnliche Ereignisse besser zu begreifen.

Warum wurde dem Attentäter von Anfang an so wenig Beachtung geschenkt?

Der Grund hängt wohl stark mit der McCarthy-Ära und noch viel stärker mit der Gegenreaktion auf jene finstere Zeit „Hexenagden“ zusammen.

Lee Harvey Oswald hatte genau das getan, was vielen während der McCarthy-Ära unterstellt worden war.

In seinem 17. Lebensjahr war er Kommunist geworden – eben genau zu jener Zeit , als gerade  durch die TV-Übertragungen der absurden McCarthy-Prozesse der Abstieg des paranoiden Senators eingeleitet worden war.

Lee Harvey Oswald hatte seine kommunistische Einstellung während seines Militärdienstes offen bekannt und war nach Ende seiner Dienstzeit in die Sowjetunion emigriert. In der Sowjetunion hatte man jedoch für die militärischen Geheimnisse, die der Wichtigtuer verraten wollte, bloß mäßiges Interesse gezeigt.

Mit seiner russischen Ehefrau war er – frustriert vom realen Sozialismus und der untergeordnteten Rolle, die ihm dort zugewiesen worden war – in die USA zurückgekehrt.

Lee Harvey Oswald war in all seinen Aktionen auf öffentliche Beachtung aus. Aber ohne McCarthyism-Paranoia wurde er lediglich als harmloser, unbedeutender Spinner wahrgenommen.

Eine neue Gelegenheit, sich als gefährlicher marxistischer Staatsfeind hervorzutun, eröffnete sich dank Castros Revolution. Seine Versuche durch ein Engagement bei Fair Play For Cuba Aufmerksamkeit zu erregen, wurden jedoch ebenfalls schmählich ignoriert.

Die „Hexenjagden“ der McCarthy-Ära hatten den jungen Mann dazu motiviert, ein verwegener (Anti-)Held zu werden.

Dass man ihm trotz seines zweifellos außerordentlichen Einsatzes so wenig Beachtung schenkte, trieb ihn in Verbindung mit seiner privaten und beruflichen Frustration zu immer extremeren Handlungen an.

Das Attentat auf den amerikanischen Präsidenten erfolgte kaum aus langfristiger Planung, sondern wohl eher aus einer zufälligen günstigen Gelegenheit (das unter falschem Namen besorgte Gewehr und der Job im Gebäude, an dem die Parade des jungen beliebten Präsidenten vorbeiziehen sollte)

Am Ende hatte Lee Harvey Oswald doch Recht gehabt hat. Man hätte ihm mehr Beachtung schenken müssen.

Lee Harvey Oswalds Aufenthalt in der Sowjetunion oder seine Mitgliedschaft bei Fair Play For Cuba hätten einen guten Anlaß geboten, dem KGB oder Fidel Castro die Schuld für das Attentat in die Schuhe zu schieben.

Aber die Zeit, in der man überall eine kommunistische Verschwörung sehen wollte, war endgültig vorbei. In den kommenden Jahren kehrte sich die Kommunisten-Hexenjagd der McCarthy-Ära sogar noch ins bizarre Gegenteil um. Die öffentliche Meinung neigte allmählich dazu, die eigene Regierung und den eigenen Geheimdienst als Verschwörer zu sehen.

Selbst wenn der Mord nach eindeutiger Indizien-Lage von einem kommunistischen Spinner verübt worden war. (Oder wie später bei 9/11 von einer eindeutig identifizierten Gruppe islamistischer Extremisten)

Als kleine Ironie der Geschichte, stellte sich unlängst haraus, dass es sich bei den berühmtesten Opfern der McCarthy Ära tatsächlich um sowjetische Spione gehandelt hatte.