Neue Ermittlungen gegen Thomas Kram

Thomas Kram

Thomas Kram alias „Lothar“ war ein enger Weggefährte von Johannes Weinrich alias „Steve“, der „rechten Hand“ von „Carlos“.

31 Jahre nach dem Anschlag von Bologna ermittelt die italienische Justiz nun doch noch gegen Thomas Kram, der sich am Tag des Anschlags am Tatort aufgehalten hatte.

Allerdings in einem Zusammenhang, von dem ich wenig halte:

Nach der neuesten Theorie soll es sich beim Anschlag von Bologna um eine Racheaktion für die Verhaftung eines PFLP-Aktivisten gehandelt haben.

Carlos, der Schakal, hatte zwar mit der PFLP eng zusammengearbeitet.

Allerdings nicht mehr zum Zeitpunkt des Anschlags von Bologna:

Nach dem Tod von Wadi Haddad hatte sich Carlos Verhältnis zur PFLP abgekühlt, während die Zusammenarbeit bzw. Auftragsarbeit mit dem libyschen Geheimdienst ab 1979 intensiviert wurde und in den frühen 80er Jahren ihren blutigen Höhepunkt erreichte.

Johannes Weinrich konnte über sein altes Terrornetzwerk der „Revolutionären Zellen“ tatbereite Leute rekrutieren, die sich auch für den „internationalen Kampf“ einsetzen ließen.

Thomas Kram, Margot Fröhlich, Uwe Krombach und Carlos Lebensgefährtin Magdalena Kopp stellten den harten Kern dieser international agierenden, deutschen Terrortruppe dar.

Der „Internationale Kampf“ bestand in Wahrheit darin, für Gaddafis Libyen und andere kriminelle Staaten gegen Bezahlung Morde und Terroranschläge durchzuführen.

Erstmals verbreitet wurde die „palästinensische Piste“ ausgerechnet von Franceso Cossiga, der einst als Premierminister nach 2 Tagen die „faschistische Urheberschaft“ festgesesetzt hatte – und der meiner Ansicht nach für die „Depistaggi“ des SISMI und auch noch für eine Vielzahl anderer „falscher Fährten“ zuständig war:

In einem Corriere-Interview von 2008 verkündete er, dass es sich beim Anschlag von Bologna, um „einen Unfall des palästinensischen Widerstands“ gehandelt habe – dass er 28 Jahre später auf einmal fundiertere Informationen als zu seiner Zeit als Premierminister gehabt haben will, erscheint mir äußerst fragwürdig.

1979 wurde der PFLP-Aktivist Abu Anzeh Saleh gemeinsam mit 3 Autonomen verhaftet, als er eine Rakete durch Italien transportierte.

Zwischen Italien und den Palästinensern hatte es ein geheimes Abkommen gegeben, welches den Palästinensern erlaubte, Italien als Rückzugsgebiet zu benutzen, solange man in Italien keine Terroranschläge verübte.

Durch die Verhaftung des PFLP-Aktivisten habe die italienische Regierung laut Cossiga jenes Abkommen verletzt, worauf sich die Palästinenser mit dem Anschlag gerächt hätten.

Das „Lodo Moro“ genannte Abkommen, das laut Cossiga zwischen Moro und den Palästinensern abgeschlossen worden war, mag den Palästinenensern zwar gewissen Schutz gegeben haben, aber sie wohl kaum vor Verhaftungen bei „in flagranti“ begangener Straftaten bewahrt. 

Dazu hätte nämlich die gesamte Polizei und Justiz in das „geheime Abkommen“ miteingeweiht werden müssen.

Und wenn der „Lodo Moro“ tatsächlich so bedeutend gewesen wäre – und Moro gemäß Cossiga der „Mann der Palästinenser“ war, wieso hätten die Roten Brigaden, die mit der PFLP eng zusammenarbeitetet hatten (Abu Saleh hatte die besagte Rakete gemeinsam mit 3 Autonomen transportiert) ausgerechnet Aldo Moro entführen und umbringen sollen?

Und wozu hätte der SISMI einen Anschlag der Palästinenser vertuschen sollen, nachdem Moro ohnehin schon tot war?

Während eine libysche Urheberschaft von italienischen Politikern aus handfesten Gründen unmittelbar nach dem Anschlag vermutet worden war, jedoch durch Cossigas sofortige Festlegung auf eine faschistische Urheberschaft nicht weiterverfolgt wurde, war die PFLP, die auch keinerlei ernsthaftes Motiv für den Anschlag gehabt hätte, nie verdächtigt worden.

Cossiga, der Meister der Halbwahrheiten, behauptet weiters, dass 1980 der SISMI-Chef Santovito die Libyer vor einem Angriff der Franzosen auf Gaddafis Privatjet gewarnt hätte, worauf die Franzosen versehentlich eine italienische Passagiermaschine über Ustica abschossen.

Das Körnchen Wahrheit, das in jenen Behauptungen steckt, besteht darin, dass es tatsächlich eine „Warnung“ der Italiener an Gaddafi gegeben hatte.

…allerdings nicht 1980, sondern 1986:

Damals konnte sich Gaddafi dank einer Warnung durch Giulio Andreotti rechtzeitig vor Reagans Raketen in Sicherheit bringen.

Sowohl Moro als auch Santovito waren zum Zeitpunkt seiner Enthüllungen lange tot und konnten daher Cossigas Geschichten nichts mehr entgegnen…

Auch der Tangentopoli-Skandal sei laut Cossiga in Wahrheit nur eine „Rache der Amerikaner für Craxis und Anderottis propalästinensische Politik“ gewesen.

Obwohl Cossiga damals mitten im Zentrum der Macht gestanden hatte, gelang es ihm seine nachträglichen „Enthüllungen“ so darzustellen, als ob er nur ein kleiner unbeteiligter Beobachter der Geschehnisse gewesen wäre.

…und so waren selbst die für den Anschlag von Bologna verurteilten NAR-Terroristen dem „Senator auf Lebenszeit“ dankbar, dass er sie später immerhin „nicht für die Täter hielt“ auch wenn sie einräumten, dass er ihnen in einem privaten Gespräch trotz der „freundschaftlichen Atmosphäre“ keine näheren substantiellen „Hinweise über die Wahrheit gegeben habe“.

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19 Antworten to “Neue Ermittlungen gegen Thomas Kram”

  1. American Viewer Says:

    Kann es ein Zufall gewesen sein, dass sich Thomas Kram einen Tag vor einem der schlimmsten Terroranschläge der europäischen Nachkriegsgeschichte als „Tourist“ in Bologna aufgehalten hatte?

    Das wäre in der Tat ein extremer Zufall. Natürlich kann es immer „Zufall“ gewesen sein, aber die Chancen dafür stehen wohl eins zu mehreren Millionen.

    • aron2201sperber Says:

      Zufälle kann es immer geben.

      aber man hätte nachprüfen müssen, ob es tatsächlich nur ein Zufall war.

      aus welchen Gründen auch immer ist dies 31 Jahre lang nicht geschehen.

      aber besser spät als nie

  2. aron2201sperber Says:

    ich persönlich glaube natürlich auch nicht an einen Zufall.

    es hatte wohl einen Grund, dass Kram, ein Experte für Zeitzünder, in jener Nacht in Bologna weilte.

    allerdings glaube ich auch, dass er nicht gewußt hatte, warum man ihn dorthin herbestellt hatte.

    wahrscheinlich hatten libysche Agenten seine technischen Kenntnisse benötigt und über Weinrich einen Experten bestellt.

    http://www.faz.net/artikel/C30190/johannes-weinrich-der-assistent-des-schakals-30187020.html

    Johannes Weinrich war in Carlos Gruppe der Kontaktmann zum libyschen Geheimdienst:

    Gaddafi und seine „Revolutionären Zellen“

    das würde auch erklären, warum Thomas Kram mit echten Dokumenten gereist war.

    Carlos hatte keine Skrupel, seine eigenen Leute den größten Gefahren auszusetzen:

    seine eigene Lebensgefährtin Magdalena Kopp wurde in Frankreich bei einem Himmelfahrtskommando mit Sprengstoff verhaftet:

    http://www.welt.de/welt_print/article1153209/Die_Frau_des_Terroristen.html

    Margot „Heidi“ Fröhlich wurde in Rom mit Sprengstoff verhaftet:

    http://www.focus.de/politik/deutschland/terrorismus-schoene-kalte-heidi_aid_154512.html

    Carlos selbst dirigierte den Terror von seinem sicheren (KGB-gesicherten) Unterschlupf in Budapest

  3. haatigen Says:

    Ist denn alles, was Regine Igel in „Terrorjahre“ über Geschehnisse in Italien schreibt, insbes. über den Absturz einer Passagier= maschie über Ustica, falsch?

    • aron2201sperber Says:

      zu Frau Igels Erkenntnissen:

      dass die östlichen Geheimdienste über die Tätigkeiten der linken Terroristen gut informiert waren und notfalls immer wieder ihre schützende Hand ausbreiteten, ist absolut keine „neue Erkenntnis“.

      dass die linken Terroristen im Auftrag jener östlichen Geheimdienste handelten, ist hingegen durch nichts belegt (anders als bei Carlos/Weinrich und Libyens Geheimdienst), obwohl nach dem Fall des Kommunismus Einsicht in die Archive genommen werden konnte (und z.B. herauskam, dass Ohnesorgs Mörder ein Stasi-mann war)

      dass die linken Terroristen von den westlichen Geheimdiensten „ferngesteuert“ waren, ist eine Legende, die auch von frau Igel verbreitet wurde, die dazu dient die Verantwortung für den linken Terror wem anderen in die schuhe zu schieben – und zwar jenen, die vom linken Terror in erster Linie bekämpft worden waren:

      den angeblich „faschistischen, imperialitischen Staaten“ des freien Westens

    • aron2201sperber Says:

      was sie über Ustica konret geschrieben hat weiß ich nicht.

      vermutlich irgendeinen Blödsinn über einen heimlichen Nato-Luftkrieg gegen Gaddafis Flieger, bei dem dann statt Gaddafi die italienische Passagiermaschine abgestüzt sei

      http://www.focus.de/panorama/welt/tid-11334/der-fall-ustica-westliches-attentat-auf-gaddafi_aid_321764.html

      obwohl Gaddafi angeblich von Tripolis nach Warschau flog, während die italienische Maschine von Bologna nach Palermo unterwegs war.

      eine völlig absurde Geschichte:

      der Geheimdienstchef Santovito hätte in einer so wichtigen Sache niemals ohne den Auftrag von Cossiga und Andreotti gehandelt, genausowenig wie Gaddafis Agenten ohne Auftrag Gaddafis gehandelt hätten…

      und wenn die Franzosen tatsächlich einen Angriff auf Gaddafi über italienischem Territorium versucht hätten, so hätten sie dies niemals ohne der Einwilligung der italienischen Regierung (Cossiga, Andreotti) getan – abgesehen davon, dass die französische Regierung zum damaligen Zeitpunkt wohl nicht einmal mit italienischer Zustimmung eine solche Aktion gewagt hätte – und sie dann auch noch so stümperhaft durchgezogen hätte.

      Ustica – Italiens Lockerbie

      zum damaligen Zeitpunkt waren außerdem nicht die Franzosen, sondern eben die Italiener im Clinch mit dem Wüstensohn, wie dieser Spiegel-Artikel von September 1980 zeigt:

      http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14332299.html

  4. haatigen Says:

    *Passagiermaschine

  5. Italiens 9/11 « Aron Sperber Says:

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  6. Zufälle « Aron Sperber Says:

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  7. Henry Burgemeester Says:

    Ich habe Thomas Kram einen Tag nach dem Bolognaanschlag getroffen, und er war noch ganz erschüttert, wie knapp er dieser Sache entgangen war, weil er sich ausgerechnet zufällig in der Nähe dieser Faschistenbombe befunden hatte, mit der er, die RZ, Ilyich R.S. alle nichts zu tun hatten.

  8. aron2201sperber Says:

    warum war er in Bologna?

    Urlaub?

    oder hätte er in Italien nicht doch irgendwen treffen sollen?

  9. aron2201sperber Says:

    woher wußte er schon am nächsten Tag, es habe sich um eine Faschisten-Bombe gehandelt?

  10. aron2201sperber Says:

    und ist es nicht seltsam, dass obzwar er sich tatsächlich am Tatort aufhielt nie gegen ihn ermittelt worden war?

    Zufälle

    immerhin war die deutsche Truppe um Carlos damals im internationalen Terrorismus höchst umtriebig.

    was die Carlos-Bande in Frankreich gemacht hat(Bomben auf Bahnhöfen) wirst du wohl nicht abstreiten?

  11. aron2201sperber Says:

    ihr deutschen Links-Revoluzzer habt immer vorgegeben die besten Freunde der Palästinenser zu sein.

    nun werden in Italien, meiner Ansicht nach zu Unrecht die Palis für die Schuldigen gehalten.

    und ihr haltet trotzdem weiter dicht, um die Ehre eines toten Diktators hochzuhalten.

    aber wahrscheinlich bist du ohnehin die falsche Adresse.

    in Weinrichs Machenschaften mit dem libyschen Geheimdienst dürfte von euch ausschließlich Thomas Kram eingeweiht gewesen sein.

  12. aron2201sperber Says:

    auch diese ganze Erkärung für die Frankreich-Anschlaggsserie stinkt zum Himmel:

    Rache für seine verhaftete „Kuh“? (Magdalena Kopp war tatsächlich auch so eine blöde Kuh, das auch noch zu glauben)

    wieso und auf wessen Auftrag hatte Carlo sie zunächst überhaupt dort hingeschickt?

    das brauchte bei euch auch wohl niemand zu wissen.

    der Führer befiehlt und die deutschen Soldaten gehorchen.

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