Das Recht zu schweigen und zu sprechen

Außerhalb der Bekenner-Videos ist eine Organisation namens NSU nie in Erscheinung getreten.

Mit dem NSU wollten die beiden Uwes, genauer gesagt Uwe Mundlos, wie man jetzt immerhin von Zschäpe erfahren hat, den niedrigen feigen Morden nachträglich eine höhere “politische” Weihe verleihen.

Die Verbrechen wären zwar um nichts besser, wenn sie im Rahmen einer politischen Organisation begangen worden wären, für die Mörder und eventuelle Sympathisanten ist jener Unterschied jedoch sehr bedeutsam, wie man schon bei den RAF-Prozessen beobachten konnte.

Ein NSU hatte jedoch außerhalb der Bekennervideos wohl nie existiert – bis zu den Bekennervideos gab es lediglich feige, anonyme, rechtsextrem motivierte Mörder, aber keine Terrororganisation, die wie RAF, RZ, Rote Brigaden, Al Qaida oder der IS ihre politischen Feinde oder gar die Staatsmacht bedroht hätte.

Die San Bernardino-Mörder deklarierten sich selbst ebenfalls als IS, trotzdem hatte niemand ein Problem, sie als Einzeltäter darzustellen.

Beim NSU muss man jedoch unbedingt mehr daraus machen – und eine emotional abhängige, unreife Frau wurde so zum Kopf einer imaginären Terrororganisation hochstilisiert.

Solange Zschäpe schwieg, konnte man alles Mögliche in ihre Rolle hineinprojizieren, was allen die sie als Mittäterin oder gar als Kopf des NSU sehen wollten, naturgemäß gefiel.

Dass Zschäpe ihre Schweige-Rolle nicht mehr weiterspielen will, macht Medien und Politik daher wütend – den Vogel hat dabei Renate Künast abgeschossen:

Selbst wenn Zschäpe Mittäterin wäre, kann es niemals dreist sein, die eigene Rolle bei einem Verbrechen vor Gericht herunterzuspielen.

Dreist ist es hingegen, als Politikerin Vorverurteilungen auszusprechen

Bei dem Recht, als Angeklagter die eigene Sicht der Dinge vorzubringen und sich selbst zu rechtfertigen, handelt es sich um wesentliche Voraussetzungen eines fairen Prozesses.

Man hat zwar vor Gericht das Recht zu schweigen, was im Zschäpes Fall von allen möglichen „wohlmeinenden“ Experten nahegelegt wird.

Man hat jedoch auch das Recht zu sprechen.

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16 Antworten to “Das Recht zu schweigen und zu sprechen”

  1. aron2201sperber Says:

    sämtliche Argumente, die der Spiegel aufzählt, sind der mehr als schwach:

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/beate-zschaepes-einlassung-im-nsu-prozess-im-faktencheck-a-1066953.html

    Die beiden können sich also nicht mehr dagegen wehren, dass Zschäpe sie nun massiv belastet und ihnen die alleinige Verantwortung an der Mordserie zuweist.

    der Vorwurf, die armen Uwes könnten sich jetzt nicht mehr gegen Zschäpes Anschwärzungen wehren, ist geradezu grotesk.

    „Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass ich ein Gründungsmitglied einer Vereinigung namens NSU gewesen sein soll“, heißt es in der Erklärung. Dem stehen Erkenntnisse des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft entgegen

    ein NSU hatte außerhalb der Bekennervideos nie existiert – davor gab es feige rechtsextrem motivierte Mörder, aber keine Terrororganisation, die wie RAF, RZ, Rote Brigaden, Al Qaida, IS ihre politischen Feinde oder gar die Staatsmacht bedroht hätte.

    Ebenso half sie den Ermittlern zufolge bei der Bewaffnung der Gruppe, als sie den Waffenlieferanten Holger G. vom Bahnhof abholte und in die gemeinsame Wohnung brachte.

    dass sie ihn vom Bahnhof abholte, reicht bestimmt nicht als Indiz, um einen Beitrag zur Bewaffnung der Gruppe nachzuweisen.

    Und ein gewichtiges Indiz, das gegen Zschäpe spricht: Auf zwei Zeitungsausschnitten, die sich mit den Taten des NSU befassten, fanden sich ihre Fingerabdrücke.

    eine Gefährtin eines Bankräubers wird wohl auch die Zeitungsartikel über den letzten Banküberfall ihres Gefährten lesen, das ist lediglich ein Indiz für eine Mitwisserschaft, die jedoch nur strafbar ist, wenn sie vorher von der Tat wusste.

    Zschäpe will damit den letzten Willen der Verstorbenen erfüllt haben. Ohne zu wissen, was sie versandte?

    wer sagt, dass sie nicht wusste, was sie versandte? sie streitet ihre Mitwisserschaft ja nicht ab.

    Insgesamt verschaffte sie der Gruppe laut Anklage im Alltag „den Anschein von Normalität und Legalität“ und legendierte unter anderem die gemeinsame Wohnung.

    diesen Vorwurf kann man allen Familienangehörigen und Lebensgefährten von Verbrechern machen – dann ist man jedoch schnell bei Sippenhaft

    „Liese“, wie sich Zschäpe nannte, habe „immer für die Drei bezahlt“, sagte unter anderem Zeugin Ursula S., die Zschäpe auch als „Managerin des Geldes“ bezeichnete.

    die Verwaltung der Urlaubskasse lässt wohl kaum auf eine Mittäterschaft bei Morden schließen, hier wäre man auch schnell bei Sippenhaft

    „Das war der einzige Grund, warum erneut ein Mensch sterben musste“, so die Einlassung der Angeklagten. Die Aussage ist in sich wenig stimmig.

    dass ihre Uwes bei ihren Morden offensichtlich sehr willkürlich handelten, kann Zschäpe wohl auch nicht vor Gericht zum Vorwurf gemacht werden.

    wie sie zuletzt ihre Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm ausbootete, deutet nicht auf eine Persönlichkeit hin, die sich klaglos in ihr Schicksal fügt.

    Zschäpe war von ihren Pflichtverteidigern im Gegensatz zu den Uwes nicht emotional abhängig – ihr Leben hat sie sich ohnehin selbst verpfuscht, wenn sie schon untergeht, möchte sie wenigstens ihre Sicht der Dinge wiedergeben – und nicht ihren Pflichtverteidigern zuliebe als eiskalte Schweigerin in die Kriminalgeschichte eingehen – ich finde das absolut verständlich

  2. aron2201sperber Says:

    Sie belastet vor allem Tino Brandt, Neonazi und langjähriger V-Mann des Verfassungsschutzes. Er habe die Neonazi-Szene in Thüringen radikalisiert. Durch ihn hätten sich ihre rechtsextremen Aktivitäten „drastisch“ verändert. Er sei der Geldgeber gewesen. Zschäpe: „Ich wünschte, dass Tino Brandt früher aufgeflogen, wir noch vor dem Untertauchen verhaftet und die vielen Straftaten nicht passiert wären.“ Brandt ist also Schuld?

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/beate-zschaepe-im-nsu-prozess-tatenlos-zehn-morde-lang-a-1066928.html

    die Schuld für die eigene Radikalisierung und Aufrüstung einem V-Mann zuzuschreiben, ist natürlich billig.

    aber beim Terror der RAF wurde auch von allen möglichen (sympathisierenden) Experten (und nicht nur von einer selbst Beschuldigten, die ihre Haut retten will) die Schuld auf einen gewissen Peter Urbach geschoben:

    Der Schwarzer Peter des Roten Terrors

    dabei wurde die Spitzel-Tätigkeit des „Schwarzen Peter“ des roten Terrors noch vor Gründung der RAF aufgedeckt und in allen Medien breitgetreten

  3. American Viewer Says:

    Das kritisiere ich am Prozess auch. Dass diverse Medien und wohl auch die Staatsanwaltschaft Zschäpe als „Kopf und Herz“ des NSU darstellen.

    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2012-04/nsu-zschaepe

    Das wäre extrem untypisch für echte Nazis, dass sie eine Frau als ihre Führerin ausgewählt haben.

    Nicht einmal in der SPD hat es bis zum heutigen Tag eine Führerin gegeben. Sind nationale Sozialisten jetzt fortschrittlicher als demokratische Sozialisten? Ich glaube das nicht, lass mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen. Mit Beweisen.

    Ich habe nicht mitbekommen, dass im Prozess schlüssig bewiesen wurde, dass Zschäpe Kopf und Herz des NSU war.

    Selbst die Aussage von Zschäpe ist glaubwürdiger als die Kopf-und-Herz-Theorie.

    Den zweiten Kritikpunkt, den ich habe, sind die enormen Kosten des Prozesses. Die Kosten sind so irre hoch, dass man mittlerweile sogar locker die Kosten des gesamten Nürnberger Prozesses gegen die 24 Hauptkriegsverbrecher (!) merklich überholt hat.

    Perverser geht es fast nicht mehr.

    Besonders an die 60 Anwälte der Nebenanklage machen sich die Taschen voll und kassieren pro Anwalt jeweils um die 400 € – pro Prozesstag. Fürs Dasitzen wohlgemerkt.

    Der Schuldspruch von Z. ist von Anfang an ausgemachte Sache und dagegen habe ich auch nichts, aber dafür muss man keine Abermillionen an Steuergeldern verschwenden. Genau die gleichen Erkenntnisse und Ergebnisse kann man auch mit 1% bis 5% der Prozesstage erreichen.

    Die Justiz und die Politik in Deutschland sind komplett abgehoben. Man erpresst Jahr für Jahr sehr viel Steuergeld von den Bürgern und wirft es dann völlig ungeniert mit beiden Armen zum Fenster hinaus. Nur bei wirklich wichtigen Dingen heißt es dann immer, es sei kein Geld da. Was für ein verlogenes Pack.

    • aron2201sperber Says:

      ich kann verstehen, dass gewisse Wirtschafts-Verbrechen wie z.B. die Hypo sehr komplex sind und über Jahre dauern können.

      bei den NSU-Morden sehe ich diese Komplexität wirklich nicht – es gibt Täter, Bekennervideos und eine Frau, die mit den Mördern zusammengelebt hatte und möglicherweise an den Taten beteiligt oder zumindest Mitwisserin war.

      25 Verhandlungstage scheinen mir in so einem Fall angemessen – wird sind glaube ich bei 250 angelangt

      • American Viewer Says:

        So sehe ich das auch.

        Man muss mal die einzelnen Prozesstage durchgehen über welchen nebensächlichen Unsinn diese Leute wochenlang sprechen. Es ist unglaublich. In einem Prozess in dem die Minute wahrscheinlich locker 500 Euro kostet.

        Ein Prozess, der wie gesagt mittlerweile die Kosten des Mammut-Prozesses gegen die echten Nazis eingeholt hat. Und die Kosten damals waren gerechtfertig, weil wirklich die Weltpresse da war und Staatsanwälte aus 3-4 Ländern und die Richter und die damals neue Simultanübersetzung mit entsprechender Technik und so weiter.

  4. aron2201sperber Says:

    selten waren sich „Lügenpresse“ und Lügenpresse-Gegner so einig wie bei Zschäpes Aussagen:

    für Spiegel & Co. lügt Zschäpe, weil sie nicht zugibt, der Kopf einer rechtsextremen Terrorbande gewesen zu sein, die vom deutschen Verfassungsschutz gedeckt wurde:

    http://www.spiegel.de/panorama/justiz/beate-zschaepe-ist-ihre-aussage-glaubwuerdig-das-sagen-die-medien-a-1067036.html

    für die VT muss Zschäpe lügen, weil sie die Welt nicht über die Unschuld der Uwes und die Schuldigkeit der westlichen Geheimdienste an den Dönermorden aufklärt:

    https://killerbeesagt.wordpress.com/2015/12/11/zschaepe-luegt-wie-gedruckt-3/

  5. benwaylab.com Says:

    Dieser Analyse kann ich nicht so recht zustimmen.

    Zur „Organisation“ NSU: Es ist richtig, dass diese Gruppierung nicht mit ihren Taten hausieren gegangen ist, wie die RAF oder Al Qaida, doch hat die Beweisaufnahme ergeben, dass doch sehr viele Menschen von den Taten wussten.
    Wie bei der RAF konnte diese Gruppierung (und ich persönlich glaube, dass sie auch noch mehr Personen bestand) über die lange Dauer im Untergrund nur durch ein breites Sympathisantenumfeld überleben. Das reichte von direkten Mittätern und Unterstützern (Überlassen von Waffen und Identitätsdokumenten etc.) bis zu Mitwissern, bei denen die Schattierung von unbedingter Bejahung der Taten bis zur Ablehnung der Morde aber grundsätzlicher Unterstützung einer neonazistischer Organisation gereicht habe mag.
    Übrigens hat sich auch die RAF, insbesondere die 3. Generation, nicht immer zu ihren Taten bekannt.

    Zur Aussage selbst: es steht natürlich jedem Angeklagten frei – anwaltlich beraten oder nicht – sich so zu verteidigen, wie er es für richtig hält.

    Wenn der Angeklagte jedoch eine Aussage macht, gehört es zum offenen Diskurs, diese Aussage auch zu kommentieren und zu kritisieren. Wobei ich auch der Auffassung bin, dass sich Politiker in dieser Hinsicht Zurückhaltung auferlegen sollten.

    Eine Aussage macht ein Angeklagter aus zwei Gründen:
    Entweder er will sich zu der Tat bekennen und sie rechtfertigen ohne damit eine mildere Strafe herbeiführen zu wollen.

    Oder er will im Hinblick auf eine Strafmilderung ein Geständnis ablegen. Das setzt aber voraus, dass der Angeklagte aktiv an der Aufklärung der Tat mitwirkt, Umstände und Mittäter benennt und außerdem Reue zeigt und Verantwortung übernimmt.

    Beate Zschäpe hat keins von beidem getan, sondern für meine Begriffe eher ungeschickt konstruierte und im Ergebnis unglaubhafte Erklärungen abgegeben.

    Ich bin da sehr skeptisch, ob das so ein kluger Schachzug war.

    • American Viewer Says:

      Ich bin da sehr skeptisch, ob das so ein kluger Schachzug war.

      Ich finde diese relativ gängige Argumentation (siehe MSM) ein bisschen arg heuchlerisch.

      Der ganze Prozess steuert seit langem ganz offensichtlich auf eine Maximalverurteilung zu.

      Und jetzt sagen die Medien: „Zschäpe sei ruhig, du machst es nur noch schlimmer.“ Das erinnert an die Szene aus ‚Das Leben des Brian‘, in welcher der zur Höchststrafe Verurteilte den Priester zurecht fragt: „Noch schlimmer? Was kann denn noch schlimmer sein?“

      Mehr als die Maximalstrafe geht nicht.

  6. aron2201sperber Says:

    gegen eine RAF-„Politische Gefangene“ hätte sich Bild nie getraut, so einen Artikel vom Stapel zu lassen:

    http://www.bild.de/news/inland/beate-zschaepe/diva-beate-zschaepe-im-knast-zeigt-sie-ihr-wahres-gesicht-43740562.bild.html

    gegen eine Rechtsextreme darf Bild hemmungslos hetzen, wie es dem linken Klischee von Bild entspricht

  7. benwaylab.com Says:

    Also, auch hier muss ich widersprechen. Im Vergleich zur Berichterstattung der Bild Zeitung über Baader, Meinhhof, Mohnhaupt und zuletzt Christian klar ist dieser Artikel an Sachlichkeit kaum noch zu überbieten.

    Ich finde auch nicht, dass der Bild-Artikel über die Zschäpe besonders hetzerisch ist. Eigentlich ist er sogar ganz interessant.

    • American Viewer Says:

      Belege deine Aussagen mit Beweisen nicht mit Behauptungen. Im BILD-Artikel steht nicht wirklich viel Sachliches. Nur Klatsch und Tratsch und immer wieder Behauptungen in Richtung Zschäpe sei bestens gelaunt und die Königin im Knast. Mehr Klischees gehen kaum. Belegt wird nichts, die BILD behauptet (am ehesten: erfindet) es einfach.

    • aron2201sperber Says:

      das Ganze erreicht schön langsam das italienische Foxy Knoxy-Niveau.

      das kalte Schweige-Monster Zschäpe hatte erst die beiden Uwes gesteuert, jetzt streitet es alles ab und lacht sich im Gefängnis einen Ast.

      die Vorstellung, dass eine Frau mit ihren dunklen Kräften zwei Männer steuert, weist Gemeinsamkeiten mit der Amanda Knox-Story auf

      zwar war die Narrative bei Knox um einiges absurder, zumal Knox den einen Mann, der für sie gemordet haben sollte, gerade mal eine Woche und den anderen Mann (einen Penner) gar nicht gekannt hatte und es für ein gemeinsames satanisches Ritual nicht den geringsten Hinweis gab

      Zschäpe hatte mit den Uwes immerhin zusammengelebt und es handelte sich um eine rechtsextreme Bande.

      dass Zschäpe das Alpha-Weibchen gewesen sein soll, das die beiden Männchen steuerte, ist jedoch wenig realistisch, selbst wenn sie beim Camping-Urlaub die Kassa verwaltet hatte

    • aron2201sperber Says:

      witzig ist auch, dass Zschäpes Verteidigung jetzt vorgeworfen wird, weibliche Klischees zu bedienen:

      https://www.tagesschau.de/kommentar/zschaepe-nsu-103.html

      dabei ist die Hexe, welche die wehrlosen Männer steuert eines der ältesten Klischees über Frauen.

      unter normalen Umständen sind es nun einmal die Männer, die in solchen Gruppen die Hosen anhaben.

      selbst bei der RAF, die besonders viele „emanzipierte“ Frauen in ihren Reihen hatte, war Baader der große Macker

      klar kann es auch Ausnahmen geben, wie jetzt bei der Terrorbraut von San Bernardino – doch die war bei der Schießerei nachweislich dabei.

      wäre sie zu Hause geblieben, wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, sie zur Mittäterin oder gar zum Kopf ihres Mannes zu erklären.

      bei Hexen wie Knox oder Zschäpe ist das hingegen anders

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