Habe gestern die von STOP THE BOMB in Wien veranstaltete Podiumsdiskussion besucht.
Als prominente Gäste waren die Außenpolitik Chefredakteurin vom Kurier (immerhin die größte halbwegs seriöse Tageszeitung Österreichs) Livia Klingl und der österreichisch-israelische Maler und Sänger Arik Brauer geladen.
Sein erstes Album ist ein absoluter Klassiker des Austropops. Unlängst habe ich auch seine hochinteressante und wie erwartet wunderbar geschriebene Autobiographie gelesen. Wohl auf Grund seiner ganz speziellen Lebensgeschichte als Kind einer jüdischen Arbeiterfamilie und Immigrant im umkämpften Staat Israel unterscheiden sich manche seiner politischen Ansichten von jenen seiner Künstlerkollegen fundamental.
Trotzdem war gestern immer wieder sein Bedürfnis zu spüren, genauso sein zu dürfen wie seine alten Freunde, die immer wissen, dass sie auf der guten Seite stehen, Frieden statt Krieg wollen und sich mit den Armen und Unterdrückten überall auf der ganzen Welt solidarisieren können.
Arik Brauer hat an diesem Abend weitaus härtere und drastischere Dinge als Stephan Grigat ausgesprochen:
„alle Perser und Araber sind hoffnungslos verhetzt“
„die palästinänsichen Gebärmütter noch gefährlicher als die Bomben“
„es lässt sich leicht im Kaffehaus vom Frieden schwadronieren, wenn nicht die eigenen Enkelkinder schon beim Bus fahren ihr Leben riskierten“
Doch wenige politisch korrekte Stehsätze wie
„man muss gerade mit seinen Feinden reden“
reichten schon aus, um von Livia Klingl als Kronzeuge mißbraucht zu werden. So konnte Klingl am Ende allen pro-israelischen Nicht-Israelis am Podium vorhalten, aus der Ferne unrealistische martialische Sprüche zu klopfen, während Arik Brauer als einziger echter Israeli mit seinen Feinden reden wolle.
Selbstverständlich muss man mit seinen Feinden reden – es kommt aber darauf an, was man ihnen sagt – auf Vernichtungsdrohungen, muss man ganz klar antworten, dass man darüber nicht diskutieren kann und will. Zivilisierte Diplomatie – wie sie von Livia Klingl gefordert wird – ist unter solchen Umständen eine Illusion, die sich zwar der durchschnittliche europäische Intellektuelle oder eine völlig abgehobene jüdisch-amerikanische bzw. israelische „Geisteselite“ leisten kann – gewöhnliche Israelis können von solch einem Luxus nur träumen.
Livia Klingl ist eine typische 68er Welterklärerin. Bei ihren zahlreichen Reisen in den Iran hat sie es geschafft, nur Gegner eines Regimesturzes zu treffen (…“Bitte bloß keine Revolution“)
Woher sie die Kontakte zu diesen politisch so gemäßigten Iranern bekommen hat, kann ich mir gut vorstellen.
Als politisch bewusste, linke Journalistin kennt Livia Klingl sicher eine Menge politisch bewusster, linker Perser. Die persische Intelligenz hat leider das große Problem, die eigene Rolle bei der Revolution noch nicht verarbeitet zu haben.
Daher wird in diesen Kreisen lieber über die Schandtaten des Schahs und den Sturz Mossadeghs geredet. Über die vor 30 Jahren stattgefundene Revolution wird man von jenen Leuten so gut wie nichts Konkretes erfahren, während die Geschichte der vor 55 Jahren stattgefundene Operation Ajax in all ihren Einzelheiten und sämtlichen Hintergründen geschildert werden kann.
Als die Revolution begann ihre marxistischen Kinder zu fressen, war allerdings niemand so blöd in einen sozialistischen Bruderstaat zu flüchten und so musste auch niemand sein linkes Weltbild angesichts der hässlichen Ostblock Realität hinterfragen. Linke Juden waren übrigens nicht so klug und wurden, als sie in den 30er Jahren ins gelobte Land flohen, reihenweise ermordet.
Livia Klingls Kritik am iranischen Regime hat etwas zutiefst Beschwichtigendes: Die Mullahs seien „chaotisch, zersplittert, blockieren sich gegenseitig, seien außerdem sogar zu ungeschickt, eine Raffinerie im eigenen Land zu bauen.“
Mit den Juden „beschäftigen sich die Iraner nicht in ihrem Alltag, sondern stehen im Stau herum“.
So abwägend Livia Klingl den Ölmullah Staat beschreibt, so eindeutig und drastisch wird sie, wenn es um andere Dinge geht: „den Libanonkrieg, den Israel verloren habe und deswegen in der nunmehr alphabetisierten arabischen Welt als schwach gelte, der Situation Im Irak, die katastrophal sei und der Nahostpolitik der Bush Regierung, die 8 Jahre verschissen habe.“