Posts Tagged ‘Zschäpe’

Schuld ist immer der Spitzel

Dezember 17, 2015

Mehrfach belastet Wohlleben auch Tino Brandt, den langjährigen V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Wohlleben sagt, er sei es nicht gewesen, der Carsten S. die 2500 D-Mark für die Waffe gegeben habe. „Ich gehe davon aus, dass das Geld von Tino Brandt kam.“ Gegen Ende sagt Wohlleben: Ihm sei „unerklärlich“, dass der Staat trotz der ganzen V-Männer in der Neonazi-Szene „angeblich nicht in der Lage gewesen sein soll, die drei nach ihrer Flucht aufzuspüren“.

(SPON)

Die Schuld für die eigene Radikalisierung und Aufrüstung einem V-Mann zuzuschreiben, ist natürlich billig.

V-Männer müssen entweder korrupt oder erpressbar sein. Oft liegt eine Kombination aus beidem vor.

Einfacher wäre es, gewaltbereite Extremisten-Gruppen einfach zu verbieten und strafrechtlich zu verfolgen, statt sich mit der unappetitlichen Unterwanderung und Überwachung herumzuschlagen.

Weil es jedoch nicht nur böse Neo-Nazis, sondern auch islamische Extremisten oder gar gute Linksradikale treffen könnte, ist man mit solchen Verboten bislang sehr zurückhaltend.

Dass ein pädophiles Dickerchen wie Tino Brandt, der sich vom Verfassungsschutz aushalten ließ, der große Guru der rechten Szene gewesen sein soll, ist nur schwer vorstellbar.

Selbst wenn die Uwes, Zschäpe und Wohlleben zum dicken Kinderfreund aufschauten, hatte weder das Untertauchen der Gruppe noch die spätere Mordserie wohl kaum etwas mit dem V-Mann Tino Brandt zu tun.

Während die Beschuldigten im NSU-Prozess lediglich ihre eigene Haut retten wollen, indem sie die Schuld auf den Spitzel schieben, wurde bei der RAF auch von allen möglichen (sympathisierenden) RAF-Experten die Schuld für die Radikalisierung und Aufrüstung der RAF dem V-Mann Peter Urbach zugewiesen.

Der bodenständige Halbweltler Peter Urbach versorgte die radikalen Studenten mit Drogen und sonstigen illegalen Sachen.

Somit war er als unideologischer, erpressbarer Kleinkrimineller für die Behörden ideal für Spitzeldienste in der Studenten-Szene geeignet.

Junge linke Idealisten aus bürgerlichem Elternhaus hätten sich wohl kaum für solche schäbigen Dienste zur Verfügung gestellt.

Mit dem Prozess gegen Baader flog seine Spitzeltätigkeit jedoch endgültig auf. Dies wurde auch in sämtlichen Medien breitgetreten.

Die RAF wurde erst danach gegründet.

Für die Radikalisierung, Aufrüstung und Vermittlung in Terror-Training-Camps hatte die RAF ohnehin ganz andere Kaliber als den kleinen Ganoven Peter Urbach zur Verfügung.

Sich über Zschäpe zu empören, während man bei der RAF immer noch ähnliche Theorien zur Spitzel-Schuldigkeit verbreitet, ist daher erst recht billig:

Sie belastet vor allem Tino Brandt, Neonazi und langjähriger V-Mann des Verfassungsschutzes. Er habe die Neonazi-Szene in Thüringen radikalisiert. Durch ihn hätten sich ihre rechtsextremen Aktivitäten “drastisch” verändert. Er sei der Geldgeber gewesen. Zschäpe: “Ich wünschte, dass Tino Brandt früher aufgeflogen, wir noch vor dem Untertauchen verhaftet und die vielen Straftaten nicht passiert wären.” Brandt ist also Schuld?

(SPON)

Die verlorene Ehre der Uwes

Dezember 11, 2015

Im Frauengefängnis von München-Stadelheim, im Trakt 3 im dritten Stock, soll Beate Zschäpe sich wie eine Diva aufführen.

Zur ihrem Gefolge gehörten eine Drogensüchtige und eine notorische Schlägerin. Mit ihnen würde sie im Gruppenraum Mittagessen, über andere herziehen.

Zschäpe, so die Insassin, erwecke den Eindruck, als ginge sie der ganze Prozess nichts an: „Sie benimmt sich wie ein fröhliches Schulmädchen auf Klassenfahrt: alles eitel Sonnenschein.“

Doch die Fassade trügt: Den Richter, so die Insassin, habe Zschäpe „ein Schwein“ genannt. Und eine ihrer Gefolgsfrauen habe einer Ausländerin gedroht: „Die Beate hat mir versprochen, dass du fertig gemacht wirst.“

Andere Mitgefangene erzählen, dass es auch beim Wachpersonal Frauen gibt, die ihr – so wörtlich – „in den Arsch kriechen“

Sie sei die „Königin“ unter den Gefangenen, die „Chefin“.

(Bild)

Gegen eine „Politische Gefangene“ der RAF hätte die Bild nie einen derartigen Artikel vom Stapel gelassen.

Sämtliche Nobelpreisträger wären dann nämlich losgestürmt, um die Ehre der von Bild geschändeten Frau zu retten.

Gegen eine Rechtsextreme darf Bild hingegen hemmungslos hetzen, wie es dem linken Klischee von Bild entspricht.

Dafür sorgt sich der Spiegel rührend um den guten Ruf der Uwes, die sich gegen die Anschuldigungen durch die böse Beate nicht mehr wehren können:

Die beiden können sich also nicht mehr dagegen wehren, dass Zschäpe sie nun massiv belastet und ihnen die alleinige Verantwortung an der Mordserie zuweist.

(SPON)

Die deutsche Berichterstattung erreicht schön langsam das italienische Foxy Knoxy-Niveau.

Das kalte Schweige-Monster Zschäpe hatte erst die beiden Uwes gesteuert, jetzt streitet es alles ab und lacht sich im Gefängnis einen Ast.

Die Vorstellung, dass eine Frau mit ihren weiblichen Kräften zwei Männer kontrollierte, weist Gemeinsamkeiten mit der Amanda Knox-Story auf

Zwar war die Narrative bei Knox um einiges absurder, zumal Knox den einen Mann, der für sie gemordet haben sollte, gerade mal eine Woche und den anderen Mann (einen kriminellen Penner, der laut DNA-Spuren eindeutig der Vergewaltiger war) gar nicht gekannt hatte, und es für ein gemeinsames satanisches Ritual nicht den geringsten Hinweis gab.

Zschäpe hatte mit den Uwes immerhin zusammengelebt und es handelte sich um eine rechtsextreme Bande.

Dass Zschäpe das Alpha-Weibchen gewesen sein soll, das die beiden Männchen steuerte, ist jedoch an den Haaren herbeigezogen, selbst wenn sie beim Camping-Urlaub die Kassa verwaltet hatte.

Witzig ist auch, dass Zschäpes Verteidigung jetzt vorgeworfen wird, weibliche Klischees zu strapazieren:

Beim NSU-Prozess hat die Verteidigung Klischees über Frauen strapaziert, um Beate Zschäpe als naives Mädchen darzustellen: abhängig, emotional, unselbstständig. Zudem wird Zschäpe in eine deutsche Tradition der Schuldverdrängung gestellt: Erst habe man von nichts gewusst – und später nichts tun können.

(Von Patrick Gensing, tagesschau.de)

Dabei ist die Hexe, welche die wehrlosen Männer mit ihrer geheimnisvollen weiblichen Macht steuert, eines der ältesten Klischees über Frauen.

Meistens sind es nun einmal doch die Männer, die in solchen Gruppen die Hosen anhaben.

Selbst bei der RAF, die besonders viele “emanzipierte” Frauen in ihren Reihen hatte, war Andreas Baader der große Macker, dem sich auch die Ober-Emanze Ulrike Meinhof brav unterordnete.

Klar kann es auch Ausnahmen geben, wie jetzt bei der Terrorbraut von San Bernardino – doch die war bei der Schießerei nachweislich dabei.

Wäre sie zu Hause geblieben, wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, sie zur Mittäterin oder gar zum Kopf ihres Mannes zu erklären.

Bei Hexen wie Knox oder Zschäpe ist das hingegen anders.

Das Recht zu schweigen und zu sprechen

Dezember 10, 2015

Außerhalb der Bekenner-Videos ist eine Organisation namens NSU nie in Erscheinung getreten.

Mit dem NSU wollten die beiden Uwes, genauer gesagt Uwe Mundlos, wie man jetzt immerhin von Zschäpe erfahren hat, den niedrigen feigen Morden nachträglich eine höhere “politische” Weihe verleihen.

Die Verbrechen wären zwar um nichts besser, wenn sie im Rahmen einer politischen Organisation begangen worden wären, für die Mörder und eventuelle Sympathisanten ist jener Unterschied jedoch sehr bedeutsam, wie man schon bei den RAF-Prozessen beobachten konnte.

Ein NSU hatte jedoch außerhalb der Bekennervideos wohl nie existiert – bis zu den Bekennervideos gab es lediglich feige, anonyme, rechtsextrem motivierte Mörder, aber keine Terrororganisation, die wie RAF, RZ, Rote Brigaden, Al Qaida oder der IS ihre politischen Feinde oder gar die Staatsmacht bedroht hätte.

Die San Bernardino-Mörder deklarierten sich selbst ebenfalls als IS, trotzdem hatte niemand ein Problem, sie als Einzeltäter darzustellen.

Beim NSU muss man jedoch unbedingt mehr daraus machen – und eine emotional abhängige, unreife Frau wurde so zum Kopf einer imaginären Terrororganisation hochstilisiert.

Solange Zschäpe schwieg, konnte man alles Mögliche in ihre Rolle hineinprojizieren, was allen die sie als Mittäterin oder gar als Kopf des NSU sehen wollten, naturgemäß gefiel.

Dass Zschäpe ihre Schweige-Rolle nicht mehr weiterspielen will, macht Medien und Politik daher wütend – den Vogel hat dabei Renate Künast abgeschossen:

Selbst wenn Zschäpe Mittäterin wäre, kann es niemals dreist sein, die eigene Rolle bei einem Verbrechen vor Gericht herunterzuspielen.

Dreist ist es hingegen, als Politikerin Vorverurteilungen auszusprechen

Bei dem Recht, als Angeklagter die eigene Sicht der Dinge vorzubringen und sich selbst zu rechtfertigen, handelt es sich um wesentliche Voraussetzungen eines fairen Prozesses.

Man hat zwar vor Gericht das Recht zu schweigen, was im Zschäpes Fall von allen möglichen „wohlmeinenden“ Experten nahegelegt wird.

Man hat jedoch auch das Recht zu sprechen.

Wem nützte Zschäpes Schweigen?

Dezember 9, 2015

Auf Pflichtverteidiger waren die RAF-Terroristen nicht angewiesen.

Die RAF zu verteidigen, war für die jungen linken Star-Anwälte eine prestigeträchtige Angelegenheit.

In Anbetracht der tollen Karrieresprünge, die Schily und Ströbele hinlegten, verwundert es nicht, dass sich die Zschäpe-Pflichtverteidiger die RAF-Star-Anwälte zum Vorbild nahmen.

Schweigen war für die RAF oberstes Gebot, zumal es aktive Genossen außerhalb Stammheims gab, die geschützt werden mussten, und eine Mittäterschaft der RAF-Kader an den RAF-Verbrechen ohnehin zweifellos feststand.

Die (von der RAF vorgegebene) Strategie der sympathisierenden Anwälte war es daher, die Verbrechen der RAF als politische Handlungen zu rechtfertigen, das Verfahren als politisch motiviert anzuprangern und sonst so wenig wie möglich mit der Schweine-Justiz zu kooperieren.

Bei Zschäpe gibt es jedoch keine Genossen, die geschützt werden müssen. Es steht auch nicht fest, ob sie wirklich ein aktiver Teil der Uwes war.

Zschäpes Anwälte handelten mit ihrer Schweige-Strategie also kaum zum Vorteil ihrer Mandantin, die im Gegensatz zu den RAF-Terroristen aus nachvollziehbaren Gründen sprechen wollte.

Eine aktive Mittäterschaft bei den Morden hätte sie von Anfang an mit ziemlicher Leichtigkeit abstreiten können.

Solange sie hingegen schwieg, konnte man alles Mögliche in ihre Rolle hineinprojizieren, was allen die sie als Mittäterin oder gar als Kopf des NSU sehen wollten, naturgemäß gefiel.

Mit dem Schweigen hätte sich Zschäpe für immer „schuldig“ für alles Mögliche rund um die Morde gemacht, auch wenn am Ende vielleicht ein (äußerst unwahrscheinlicher) Freispruch aus formaljuristischen Gründen herausgekommen wäre.

Die Anwälte waren durch die Schweige-Strategie hingegen fein raus.

Wäre ihre Mandantin schuldig gesprochen worden, hätte ihnen niemand einen Vorwurf gemacht, zumal ihre Mandantin ja schon im Vorfeld von der Öffentlichkeit „schuldig“ gesprochen worden war.

Wäre ihre Mandantin hingegen trotz ihrer Schuldigkeit freigesprochen worden, wären die kleinen Pflichtverteidiger sogar als große juristische Genies dagestanden.

Neue Indizien für eine Mittäterschaft sind in den über zwei Prozessjahren bislang nicht aufgetaucht.

Nachdem sie ihr Schweigen gebrochen hat, bleibt nur noch das Argument des anfänglichen Schweigens, das von Medien, Anklage und Politik nun grotesk aufgeblasen wird, auch wenn es sich dabei um eine von den Anwälten vorgegebene Prozess-Strategie gehandelt hatte.