Unter dem Schutz der Verfassung – und der Schutz der Verfassung

Handelt es sich bei Minaretten um religiöse Bauwerke, oder sind sie Symbole einer verfassungsfeindlichen politischen Ideologie, vor der sich der Verfassungsstaat schützen muss?

 Auch wenn Robert Misik nichts von der „Beschwörung des politischen Islam“ hält: genau auf diese Frage kommt es an.

Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit, zu dem es auch gehört, Gebetshäuser zu errichten, muss selbstverständlich allen Religionen zustehen. Eine Religion dabei willkürlich einzuschränken, würde nicht nur gegen die Religionsfreiheit, sondern auch gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot verstoßen.

Allerdings war auch der Nationalsozialismus zumindest für Josef Göbbels eine Religion, und Hakenkreuze sind ohne den geschichtlichen Kontext des Nationalsozialismus harmlose, aus Indien stammende Symbole.

Heute ist die demokratisch legitimierte, in den europäischen Leitmedien als “ islamisch-konservativ“ verharmloste AKP gerade dabei, den säkularen türkischen Staat abzuschaffen.

Erreicht eine politische Kraft, die den demokratischen Verfassungsstaat abschaffen will, die Mehrheit, nützen auch die besten Schutzmechanismen wie die in der Verfassung garantierten Grundrechte nichts.

Sobald die Nationalsozialisten einmal die demokratischen Wahlen gewonnen hatten, gab es nichts mehr, was sie daran hindern konnte, ihr politisches Ziel – die Abschaffung der Demokratie – umzusetzen.

Verbote wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung werden auf Grund der geschichtlichen Erfahrungen akzeptiert. Abgesehnen davon wird es jedoch als widersprüchlich und paradox angesehen, dass sich der Verfassungsstaat ausgerechnet durch die Einschränkung von Grundrechten wie dem Recht auf Meinungsfreiheit oder Religionsfreiheit vor seiner eigenen Abschaffung schützt.

Das liegt daran, dass an die Demokratie höhere Ansprüche als an andere Systeme gestellt werden (meistens sind es ausgerechnet Anhänger totalitärer undemokratischer  oder unrealistischer anarchistischer Ideologien, die jene Ansprüche am lautesten einfordern) – Grundrechte sollen bis zur Selbstaufgabe gewährt werden.

Auch vom demokratischen Verfassungsstaat können Rechte nur gewährt werden, solange sie sich nicht gegen die eigene Existenz wenden. Trotzdem ermöglicht der demokratische Verfassungsstaat ein höheres Maß an Freiheit und Partizipation als alle anderen jemals erprobten Staatsordnungen.

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