Irans Intelligenzija und ihr Mossadegh-Mythos

Der Mossadegh-Mythos besagt, dass die iranische Demokratie durch einen „Umsturz von außen“ für immer und ewig verpfuscht worden sei. Jener Mythos ermöglicht es der iranischen Intelligenzija, die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte bei Khomeinis antiimperialistischer Revolution zu vermeiden.

Die iranische Intelligenzija hatte sich 1979 Khomeinis antiimperialistischer Revolution angeschlossen und so einem Regime zur Macht verholfen, das in jeder Hinsicht schlimmer als das Schah-Regime war.

Wäre jedoch Mossadegh 1953 nicht abgesetzt worden, wäre der Iran eine wunderbare Demokratie, und man wäre gar nicht in die Verlegenheit geraten, jenen Fehler zu begehen.

Nach heutiger Sicht wird jener Staatsstreich der CIA zugeschrieben, welche durch die Operation Ajax die Absetzung Mossadeghs unterstützt hatte. Die Entmachtung eines demokratisch legitimierten Politikers zugunsten einer Diktatur war mit Sicherheit kein Ruhmesblatt der US-Außenpolitik. Die Angst im kalten Krieg ein weiteres Land an die Kommunisten zu verlieren, verschuldete jenen Sündenfall. Entscheidend für das Gelingen des Staatsstreichs war jedoch in erster Linie die aktive Beteiligung der persischen Elite. Möglicherweise wäre die Absetzung Mossadeghs auch ohne CIA Hilfe (in der Höhe von 1 Million Dollar) erfolgreich durchgeführt worden.

Auch im damaligen Iran studierten wohl vornehmlich Kinder aus der Mittel- und Oberschicht. Bei der iranischen Intelligenzija, die sich seit jeher über den Sturz Mossadeghs beklagt, handelt es sich zum größten Teil um die Kinder der Elite, die Mossadegh selbst abgesetzt hatte.

Als die iranische Revolution begann, ihre marxistischen Kinder zu fressen, floh keiner von den kleinen Antiimperialisten in einen sozialistischen Bruderstaat, sondern man bevorzugte als Exil den imperialistischen Westen, wo auch schon oft die eigenen Eltern warteten.

Im westlichen Exil haben viele alte iranische Marxisten – zumindest aus der Ferne – ihren Frieden mit dem Regime geschlossen. Es ist allerdings auch leicht, die antiimperialistischen Ideale hochzuhalten, indem man sich der sozialistischen oder islamistischen Realität durch ein Exil im bösen Westen entzieht.

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12 Antworten to “Irans Intelligenzija und ihr Mossadegh-Mythos”

  1. antifo Says:

    „Kein Ruhmesblatt der US-Außenpolitik“ ist untertrieben. Es bestand auch kein Grund zur Angst, ein „weiteres Land an die Kommunisten zu verlieren“.

    Ich zitiere aus einem Spiegel-Special von 2008:

    Um Dulles für einen Putsch in Iran zu gewinnen, malt ein britischer Geheimdienstvertreter ihm in Washington das Schreckensbild einer angeblich drohenden Machtergreifung des Kommunismus in Iran aus. Das alarmistische Szenario ist zwar von der politischen Situation weit entfernt, denn Mossadegh hat als Demokrat und Antikommunist rein nationale Motive, und der Einfluss der kommunistischen Tudeh-Partei hält sich in Grenzen. Doch daran stört sich Dulles nicht. Denn erstens grenzt für ihn, den langjährigen Anwalt einiger der weltgrößten Multis, schon die Verstaatlichung eines Unternehmens wie der AIOC an Kommunismus.

    Im März 1953 wird Präsident Eisenhower bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates für den Putsch in Iran gewonnen. Ausschlaggebend dafür ist das Argument seines Außenministers, bei einer Machtübernahme des Kommunismus „wäre die freie Welt des ungeheuren Kapitals beraubt, das die iranische Erdölproduktion und Erdölvorräte in Iran darstellen“.

    http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecialgeschichte/d-58508484.html

    Was Eisenhower da sagte war vollkommener Quatsch. Die Sowjetunion war gewiss nicht auf iranisches Erdöl angewiesen. Sonst würde Russland heute nicht so viel Öl und Gas exportieren. Mit dem Weltmarktpreis für Öl und Gas steht und fällt das russische Bruttosozialprodukt.

    Noch viel schlimmer für die Situation der dem jetzigen Regime kritisch gegenüber eingestellte iranische Intelligenzia dürfte aber der Angriff des Irak unter Saddam Hussein („unser Hurensohn“) auf den Iran gewesen sein. Aus irgendeinem Grund lastet man diesen mörderischen Krieg im Iran ebenfalls den USA an. Nicht ganz ohne Grund:

    Die Hilfe der Amerikaner für Saddam Hussein während des Iran-Irak-Krieges ging offenbar weiter als bisher bekannt. US-Geheimdienstler sollen die Militärs in Bagdad bei der Schlacht-Planung unterstützt haben, obwohl die US-Regierung von Giftgas-Einsätzen der irakischen Armee wusste.

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/militaerpolitik-unterstuetzte-us-regierung-irakische-giftgas-angriffe-a-209990.html

    Bedeutung kann eine gegen das Ajatollah-Regime eingestellte iranische Intelligenzia nur dann bekommen, wenn sie dessen antiimperialistische Linie in irgendeiner Weise fortführt. Tut sie das nicht, wird sie von weiten Teilen der Bevölkerung als Vaterlandsverräter wahrgenommen werden. Für die Machtstatik des Iran ist der Nationalismus sicherlich das wichtigste Moment. Präsident Ahmadinedschad wurde/wird von den Ajatollahs bekanntlich als Bedrohung wahrgenommen, wegen seines übersteigerten Nationalismus.

    • arprin Says:

      Damit benennst du schon den nächsten Mythos: Dass die USA Saddam aufgerüstet haben.

      In Wirklichkeit war es die Sowjetunion:
      http://www.thedissidentfrogman.com/bureau/000113.html

      • antifo Says:

        Von einer Aufrüstung des Irak durch die USA hatte ich nichts geschrieben, eben weil alle Waffen geliefert haben. Direkt unterstützt wurden der Angriffskrieg auf den Iran aber von den USA; siehe diesen Spiegel-Artikel.

        Man kann nicht so tun als wäre das nicht geschehen. Es geht dabei gar nicht mal so sehr um die moralische Frage. Es geht darum, daß (Exil-)Iraner als Patrioten unglaubwürdig sind, wenn sie sich von den USA unterstützen lassen — wegen dieser geschichtlichen Tatsachen.

        Ich kenne Iraner, die gerne wieder einen Schah hätten. Mir wäre das allemal Recht. Nur halte ich es nicht für realistisch.

        Es ist auch nicht von Belang was die Sowjetunion vielleicht gemacht hat. Die Russen wollen ja keinen Regime-Change.

        Russland macht sich bei den Iranern eher auf andere Weise unbeliebt:

        http://apxwn.blogspot.de/2012/08/4-milliarden-fur-eine-handvoll-s-300.html

    • aron2201sperber Says:

      Von einer Aufrüstung des Irak durch die USA hatte ich nichts geschrieben, eben weil alle Waffen geliefert haben. Direkt unterstützt wurden der Angriffskrieg auf den Iran aber von den USA; siehe diesen Spiegel-Artikel.

      Saddam hatte wohl darauf spekuliert, dass die USA dem Iran nachdem was in der Botschaft geschehen war, nicht mehr zur Hilfe eilen würde.

      den „Angriffskrieg“ hatte er jedoch völlig selbstständig gestartet (wie auch den zweiten Golfkrieg gegen Kuweit, bei dem seine Spekulation auf die amerikanische Reaktion allerdings nicht aufging)

      als Saddam die totale Niederlage drohte (Irans von den USA ausgerüstete und ausgebildete Luftwaffe hatte Saddams Armee schwer zugesetzt) und es sich schon längst um einen „Abwehrkrieg“ handelte, wurde Saddam auch vom Westen unterstützt, nachdem man einem wahnwitzigen Gottesstaat nicht die Vorherrschaft über die Golfregion überlassen wollte (worin sich USA und UdSSR trotz kalten Krieges ausnahmsweise einig waren)

      http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Golfkrieg

      aus jener Zeit (1984) stammt auch das berühmte Rumsfeld-Foto, welches für Leute, die alle historischen Fakten ignorieren den Beweis dafür liefern soll, dass die USA (1980 war übrigens noch Carter am Ruder) Saddam zum Angriff getrieben hätten.

      • antifo Says:

        Im Rückblick macht der Iran eben vor allem die USA verantwortlich. Das mag zum Teil vielleicht ungerecht sein. Nur dem Irak von heute kann man doch kaum etwas vorwerfen.

        Nach dem Abzug der Amerikaner ist der Irak heute praktisch auf die Seite des Iran gewechselt. Aus Sicht der USA muß man von einem kompletten Desaster sprechen. Der von Bush und Blair eingefädelte völkerrechtswidrige Krieg hat Unmengen von Geld und Menschen gekostet.

      • aron2201sperber Says:

        Im Rückblick macht der Iran eben vor allem die USA verantwortlich. Das mag zum Teil vielleicht ungerecht sein. Nur dem Irak von heute kann man doch kaum etwas vorwerfen.

        gemäß den historischen Fakten war Saddam war für seinen Angriffskrieg verantwortlich – dass die Mullahs heute die USA dafür verantwortlich machen wollen, ändert nichts an den Fakten.

  2. antifo Says:

    Es ist allerdings auch leicht, die antiimperialistischen Ideale hochzuhalten, indem man sich der sozialistischen oder islamistischen Realität durch ein Exil im bösen Westen entzieht.

    Wer im Exil lebt taugt meinst nicht für den Widerstand. Er ist zu weit entfernt von der Realität. Schon nach wenigen Jahren weiß er nicht mehr was im Lande eigentlich los ist und was die Menschen eigentlich bewegt.

    Politische Bedeutung kann eine im Exil lebende Opposition generell nur mit Unterstützung ausländischer Mächte bekommen.

    Aus dem Grund wurden ja auch die deutschen Exilanten nach dem Zweiten Weltkrieges oftmals als Vaterlandsverräter gesehen. Auch die von den Bolschewisten geflüchtete russische Exilgemeinde hat nie eine reale Bedeutung gehabt. Die Sowjetunion ist vor allem deshalb kollabiert, weil die Menschen nicht mehr an das ideologische Fundament geglaubt haben.

  3. Sam Says:

    Die Zeit des Schahs wird heute im Iran viel positiver gesehen. Im Vergleich zu den Mullahs war es zwar auch noch eine Diktatur aber nicht in diesem Umfang. Dazu muss man noch sagen dass die Schah-Diktatur im Westen besonders von den 68er überzeichnet worden war. Der Schah galt damals als Musterbeispiel eines Diktators (vor allem weil er mit den USA) verbündet war.

    Das es während der Schahepoche durchaus Fortschritte in Persien gibt wird aber gerne übersehen. Ich bin überzeugt dass ohne die Revolution 1979 der Iran heute um einiges demokratischer wäre.

    • besucher Says:

      @Sam google einmal „weiße Revolution“ dann wirst du sehen welche fortschrittlichen Programme der Schah aufgelegt hat. Übrigens kommt ja jetzt ARGO in den Kinos, ein interessanter Spielfilm über die Geiselnahme von Teheran

      • aron2201sperber Says:

        perverserweise werden die positiven Effekte der weißen Revolution wie ein hoher Grad an weiblichen Akademikern heute von westlichen Fürsprechern des Mullah-Regimes als Argumente für die Aufgeklärtheit des islamistischen Regimes herangezogen

  4. kurz Says:

    Was Sperber natürlich verschweigt, ist die Tatsache, dass auch dass seine beiden geliebten Geheimdienste CIA und Mossad am Sturz des Schah beteiligt waren, und dass das Mullah-Regime unter Vermittlung des Machjuden Marc Rich der Öllieferant des heißgeliebten Israels war, als andere arabische Staaten den Judenstaat boykottierten.

    Außerdem stimmt es natürlich, dass Mossadegh mit Hilfe der CIA gestürzt wurde, ich weiß also gar nicht, was er eigentlich kritisieren will. Natürlich war Mossadegh auch erst von den Hintergrundmächten installiert worden (so wie der Schah auch). Der Iran ist schon lange nicht Herr seines eigenen Schicksals, und die Hintergrundmächte sind recht launisch, weshalb man leicht den Überblick verliert. Ideal für Desinformationsspezialisten wie Sperber.

  5. Was Ägypten von Assad lernen kann | Aron Sperber Says:

    […] Asyl anbieten, könnte man selbst so viele Menschenrechte brechen wie man will, ohne dem Tadel der kritischen Intelligenzija ausgesetzt zu […]

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