Obwohl die Menschen in früheren Zeiten wesentlich gläubiger waren als in der heutigen Zeit, war der Zugang zu den Quellen der Religion stark eingeschränkt. Nur ein winziger Bruchteil der christlichen Bevölkerung Europas konnte überhaupt lesen, und die Messen wurden in lateinischer Sprache mit dem Rücken zur Gemeinde vorgetragen.
Um ein guter gläubiger Christ zu sein, reichte es zu glauben, dass Jesus der Sohn Gottes sei und sich kreuzigen ließ, um das Leid der Menschheit auf sich zu nehmen. Zahlreiche Generationen von Christen haben brav Kirchen erbaut und Gottesdienste besucht, ohne sich tiefer mit den Quellen ihrer Religion zu beschäftigen.
Ähnlich ist es wohl auch in der islamischen Welt zugegangen.
Die Religion wurde als Ritual gelebt, das dazu diente den Zusammenhalt der Gesellschaft zu festigen. Diese Rituale ähneln sich in allen Gesellschaften. Sowohl Christentum als auch Islam berufen sich auf die Propheten des alten Testaments und teilen eine gemeinsame Geschichte mit gegenseitiger Beeinflussung.
Um ein gläubiger Muslim zu sein, war es völlig ausreichend, die Grundsätze der 5 Säulen des Islams einzuhalten. Genauso wie ein gläubiger Christ keineswegs über tiefe Bibelkenntnisse zu verfügen brauchte.
Es ist jener Islam, den Orientalisten und Islamwissenschaftler sich zu ihrem Forschungsgegenstand gemacht haben:
Sie beschäftigen sich mit einer alten faszinierenden Kultur, die zeitweise unserer christlichen Kultur an Wissen und Entwicklung überlegen war. Eine Zivilisation, die bereit war, fremde Errungenschaften zu übernehmen und weiterzuentwickeln. Eine Eigenschaft, die später auch unsere Zivilsation groß gemacht hat.
Der Islam, mit dem wir heute ein Problem haben, ist ein “neuer Islam”, der die “alten Quellen” ernst nimmt.
Zur Zeit der Reformation hat das Christentum ähnliche Entwicklungen durchgemacht. Auch Luther wollte zu einer puren Lehre zurückkehren. Insbesondere durch die Bibelübersetzung in die deutsche Sprache wurde die christliche Religion in ihrer puren Bedeutung erstmals einer Vielzahl von Menschen zugänglich gemacht.
Islamisten folgen ebenfalls möglichst getreu dem Vorbild des Propheten und nicht, wie sich das Orientalisten (und wir alle) wünschen würden, dem herkömmlichen Volksislam, der Judentum, Christentum und letztlich jeder Religion ähnlich ist.
Es ist leider genau jener Islam, der starken Zulauf hat, und es ist jener Islam, der mit der aufgeklärten Welt zusammenprallt.
Daher sind die Einblicke, die uns Orientalisten und Islamwissenschaftler liefern wertlos.
Schlagwörter: Islam
Oktober 24, 2012 um 7:42 pm |
„Daher sind die Einblicke, die uns Orientalisten und Islamwissenschaftler liefern wertlos.“
Das würde ich so nicht unbedingt sagen. Vielleicht in Bezug auf die „Islamwissenschaftler“, aber ein Orientalist, der seine Berufsbezeichnung ernst nimmt, kann durchaus Erhellendes beitragen. Nur leider sieht das in der Realität so aus, dass schon bei der Namensgebung solcher Institute viel zu viel Gewicht gelegt wird auf die Ideologie Islam, während die Menschen und die Kultur der Region eher zweitrangig sind (ganz zu schweigen von anderen Religionen).
Und den real existierenden Islam, der damals durch die real existierende arabische Expansion verbreitet wurde, will auch kein vernünftiger Mensch haben. Was die Heere von Khalid ibn Walid et al. angetrieben hat war sicher kein gemütlicher „Volksislam“, auch wenn es vielleicht nicht das war, was die heutigen islamischen Frömmler gerne hätten. Man sollte schon trennen zwischen plündernden Horden mit einer passenden Ideologie und – meist später – normalen Menschen vom Bauern bis zum Gelehrten oder Dichter, die sich eben ihren eigenen „Islam“ zusammengereimt haben. Und selbst da machen sich negative Enflüsse der ursprünglichen Ideologie manchmal bemerkbar.
Oktober 24, 2012 um 8:50 pm |
natürlich war die kriegerische mohammedanische Ideologie immer schon brutal und unmenschlich:
trotz ihrer Ideologie hat es unter islamischer Herrschaft jedoch auch immer wieder zivilisierte Epochen gegeben.
während sich die Christen trotz ihrer Ideologie der Nächstenliebe oft nicht gerade nett benommen haben.
das Problem ist, dass die Islamisten nicht den zivilisierten Epochen nacheifern, sondern dem originalen, unverfälschtem Vorbild ihres grausamen Propheten.
mit dem beschäftigen sich jedoch weder Orientalisten noch Islamwissenschaftler gerne.
Orientalisten picken sich die hübschen Gärten und Moscheen raus, Islamwissenschaftler die harmlosen Stellen aus dem Koran.
Oktober 25, 2012 um 1:29 am |
Das sehe ich auch so. Eine ägyptische Zeitung hat das mal schön erklärt: Die Muslimbrüder und die Salafisten sind eine sehr moderne Bewegung.
Es ist ein Denkfehler, wenn andere „modern“ immer gleich mit „fortschrittlich“ synonym gebrauchen.
Oktober 25, 2012 um 7:55 am |
…und es ist auch kein „soziales Problem“
viele der Islamisten sind wohlhabend und durchaus geblidet.
…genauso wie unter den deutschen Akademikern der 30er jahre der Anteil an Nationalsozialisten besonders hoch war.
Oktober 25, 2012 um 2:01 pm
Das sehe ich auch so. Der deutsche Historiker Götz Aly hat das schon sehr schön herausgearbeitet. Die Nazis der 30s waren zu großen Teilen in der Tat „gelehrte“ Leute.
Es ist typisch für (national)-sozialistische und kommunistische „Arbeiterbewegungen“, dass sie auffällig wenig aus Arbeitern bestehen. Schon gar nicht an der Spitze.
Häufig werden diese Bewegungen zu Anfang von relativ reichen „Idealisten“ aus bestem Hause erdacht und angeführt.
In der zweiten Phase kommt dann der an die Macht, der noch weniger Skrupel hat als die „Idealisten“. Marx zu Lenin zu Stalin, wäre das klassische Beispiel.
Auffallend oft sind die „Idealisten“ und die „Schlächter“ in einer Person vereint. In diesem Fall bleiben diese Leute dann von Tag eins bis zu ihrem Tod an der Macht. (Hitler, Mussolini, Mao, Castro).
Oktober 25, 2012 um 12:07 pm |
Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß eine Volksreligion wie die andere sei. Auch wenn sie religionssoziologisch ähnliche Funktionen erfüllen, hat die jeweilige Lehre Auswirkungen auf Moral, Sitten und Gesetze. Timur Kuran hat z.B. den Einfluß des Islam auf die wirtschaftliche Entwicklung des Nahen Ostens untersucht, mit interessanten Schlüssen. Das indische Kastenwesen wäre ohne Hinduismus schwer denkbar. Die katholische Volksfrömmigkeit zieht aus der Armut einer Person ganz andere Schlüsse als die buddhistische. Nebenbei war die religiöse Bildung der Menschen des Mittelalters nicht so schlecht, wie man heute meint.
Oktober 25, 2012 um 1:51 pm |
Das sehe ich ähnlich.
Das ist ein interessantes Thema. Wo ist denn der Unterschied zwischen diesen beiden Religionen bei diesem Thema? Ich würde da spontan von starken Parallelen ausgehen.
Vielleicht noch interessanter wären Katholizismus / orthodoxe Kirchen im Vergleich zu Protestantismus / Anglikanismus / Calvinismus bzw. im Vergleich zum Judentum.
Oktober 25, 2012 um 8:10 pm
Katholizismus und die orthodoxe Kirche sind ein mystisches Theater.
der Protestantismus eine spirituelle Sekte, die sich ganz auf ihren Führer konzentriert.
ich bin als Katholik aufgewachsen, beides hat für mich seine faszinierenden und abstoßenden Seiten.
das Judentum hat mich immer fasziniert, jedoch nie im spirituellen Sinn.
das liegt vielleicht daran, dass die Juden in meiner Familie nicht mehr religiös waren.
Oktober 25, 2012 um 8:59 pm
Hmmm!???
Wer soll das sein? Jesus?
Da ist der Führerbegriff wohl etwas fehl am Platze
Oktober 25, 2012 um 9:03 pm
ich meinte damit selbstverständlich ihren spirituellen Führer Jesus.
das sollte ehrlich keine Anspielung auf Hitler sein.
in einem Artikel hätte ich meine Worte sorgfältiger ausgewählt 😉
Oktober 27, 2012 um 4:49 pm
Im Volksbuddhismus spielt die Lehre vom Karma eine besondere Rolle. Wer also nicht aus spirituellen Gründen freiwillig arm ist, sondern unfreiwillig, ist in diese Lage allein wegen seines schlechten Karmas geraten, ist also auch spirituell selbst an seiner Lage Schuld.
Dem Buddhismus ist das Almosengeben durchaus geläufig, doch ist die Motivation die eigene sprituelle Reinigung. Deswegen sind auch vorzugsweise Mönche und Nonnen Ziel der Almosen. Buddhistische Klöster haben in der Regel auch keine Sozialaufgaben. Das hat sich etwa in Sri Lanka z.T. geändert, ist aber heftig umstritten.
Im katholischen Christentum ist dagegen jeder aufgerufen, den Armen zu helfen, (vgl. Mt 25,31-46), zumindest, so weit sie selbst nach ihren Fähigkeiten an ihrer Erhaltung mitwirken (2 Thess 3,10), und zwar aus dem Liebesgebot heraus. (Mt 22, 37-39) Man soll Almosen „im Verborgenen“ geben, am besten sogar vor einem selbst verborgen. (Mt 6, 1-4).
In der Praxis sind die Unterschiede nicht gewaltig. Auch Katholiken spenden oft an Klöster, natürlich auch im Hinblick auf ihr Seelenheil; auch Buddhisten gegen Almosen für Bedürftige. Aber die unterschiedliche Sicht der Armut beeinflußt soziale Einrichtungen oder auch das Maß der Armenfürsorge.
Oktober 27, 2012 um 10:39 pm
@hollerbusch
Danke für deine Antwort
Oktober 26, 2012 um 3:55 pm |
Komischerweise spielt Im Judentum „Glaube“ nicht eine so große Rol-le wie im Christentum und Islam. Er ist die Voraussetzung, aber man redet nicht viel darüber. Es ist fast wichtiger, wie man lebt. Die sog. Gesetzte sind weit überwiegend Vorschriften, wenn nicht alle.. Nicht einmal die Zehn Gebote nennt man im Hebräischen so, sondern „Die Zehn Worte“ oder „Zehnerworte“. Es gibt die Zeremonialgesetze und die ethischen. Obwohl man sagt, beides ist gleich wichtig, gab es in der Geschichte, soweit man es von den erhalten gebliebenen Texte weiß, keinen Rabbiner, der nicht den Ethischen Gesetzen den Vorzug gegeben hätte. Und: ist man kein geborener Jude/Jüdin (nur die Mut-ter zählt), dann muß man im Falle einer Konversion, was manchmal vorkommt, sehr viel lernen. Wunsch und Glaube genügen bei weitem nicht. Jude zu sein, Jude zu werden – beides ist nicht einfach.
LG
Caruso
Oktober 26, 2012 um 5:58 pm |
Bärbel Schäfer ist für ihren Michel wohl nackt in einen Brunnen gehüpft, aber sie will nicht darüber sprechen.
Oktober 26, 2012 um 6:07 pm |
Larry David über christliche Anbetung und Lobpreisung:
Oktober 27, 2012 um 10:45 pm |
@arprin
Ich dachte Unterschiede bezogen auf den Kapitalismus. Ein Klischee besagt ja Protestanten und Juden seien wirtschaftlich deutlich erfolgreicher als Katholiken.
Und wenn man sich die richtigen Orte und Zeiten heraussucht, stößt man wirklich auf Unterschiede, die beeindrucken. Zumindest auf den ersten Blick. Ab und an aber auch auf den zweiten und den dritten.
Oktober 27, 2012 um 10:45 pm |
„@aron“ soll es natürlich heißen…
Oktober 29, 2012 um 1:41 pm |
„Vom Westen unbemerkt, führt die muslimische Welt einen brutalen Kampf – gegen sich selbst: Gewalttätige Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten … (haben) im Nahen Osten, auf der Arabischen Halbinsel, in Zentralasien und sogar im pazifischen Raum in den vergangenen Jahren bis zu 30.000 Todesopfer gefordert – und relativiert damit die Vorstellung, die muslimische Welt sei hauptsächlich damit beschäftigt, einen Feldzug gegen den Westen zu führen.“
Der große Preis des Durchblicks geht an:
http://www.profil.at/articles/1243/560/345162/syrien-syrien-der-krieg#nnwflogroot
Dezember 6, 2013 um 6:34 pm |
Das Christentum ist im Kern autoaggressiv:
Im Idealfall stirbt man für die Sünden der anderen am Kreuz.
Der Islam fordert hingegen aggressives Verhalten gegen andere.
Dezember 6, 2013 um 7:14 pm |
[…] man den gemäßigten Volksislam, und bringt den wahren Islam zum Vorschein, landet man bei einer rechtsextremen […]