Kraushaars verpasste Gelegenheit

Ich habe mir soeben das neue Buch von Wolfgang Kraushaar besorgt.

Zunächst möchte ich dem Autor dafür Respekt zollen, dass er sich einem brisanten Thema widmet, mit dem er sich im linken Kultur-Establishment wohl wenig Freunde machen wird.

Buchdeckel „

Das Buch enthält einige Spekulationen, wie man sie auch schon in seinem Buch über den Buback-Mord findet.

Im Gegensatz zu seinem frühren Werk richten sich die Spekulationen diesmal nicht nur gegen den verachtenswerten Verfassungsschutz und seine Kollaborateurinnen, sondern gegen respektable Genossen, weswegen er sich diesmal statt Lob so manchen juristischen Ärger einhandeln dürfte:

Die öffentliche Ausstreuung vager Verdächtigungen darf eine präzise Beweisführung nicht ersetzen und wird dem Anspruch auf Aufklärung dieses heimtückischen Brandanschlags nicht gerecht. Die zitierten Stellen erfüllen den Tatbestand der üblen Nachrede.

(Ulrich Enzensberger: „Ich habe nichts getan und nichts gewußt„)

Seine Energie hätte der Autor besser auf einen für die deutsche Terrorgeschichte viel bedeutsameren Punkt konzentrieren sollen.

Bedauerlicherweise wird die Reise von Kunzelmann und seinen Genossen ins Ausbildungslager der Fatah in Kraushaars Werk so gut wie gar nicht behandelt, obwohl bei Kunzelmann (wie später auch bei der RAF) die Metamorphose vom Spaß-Guerilla zum ernsthaften Terroristen erst dadurch umgesetzt worden sein dürfte.

Jener entscheidende Schritt dürfte von Giangiacomo Feltrinelli in Kooperation mit den Ostblock-Geheimdiensten orchestriert worden sein.

Dazu wurden mittlerweile zwar endlich einige Bücher verfasst, die jedoch bislang viel zu wenig mediale Aufmerksamkeit erregen konnten.

Dass ein prominenter Autor wie Kraushaar ein 800 Seiten dickes Buch über die Wurzeln des deutschen Terrors schreibt, ohne diese entscheidende Phase stärker zu beleuchten, ist leider wieder eine verpasste Gelegenheit, dem Thema die Aufmerksamkeit zu geben, die es verdienen würde.

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2 Antworten to “Kraushaars verpasste Gelegenheit”

  1. Sacha Hartgers Says:

    Hier finden Sie die Aspekte der von Ihnen erwähnte Reise die Kraushaar in seinem Buch erwähnt

    Die “Palästina-Reise” der späteren Tupamaros Westberlin

    19. Juli 1969: Dieter Kunzelmann, Lena Conradt, Georg von Rauch und Ina Siepmann, starten von Ebrach aus mit einem Ford Transit nach München zu einer Reise in Richtung Norditalien.

    23. Juli: Abfahrt von München nach Norditalien.

    23. Juli: Kurz nach Fahrtantritt Brandanschlag auf die Wohnung von Oberstaatsanwalt Wilhelm Lossos in München.

    25. Juli: Zwischenstation in Mailand.

    26. Juli: Weiterfahrt nach Rom. Aufenthalt bei den Uccelli. Hier wird der Entschluß zur “Palästina-Reise” gefaßt.

    15. August: Abfahrt von Rom in Richtung Norditalien.

    19. August: Rückkehr nach Mailand.

    3. September: Abfahrt von Mailand nach Varese.

    23. September: Abfahrt von Varese in Richtung Balkan.

    24. September: Zwischenstation in Belgrad.

    25. September: Zwischenstation in Istanbul.

    26. September: Zwischenstation in Ankara.

    27. September: Weiterfahrt nach Adana.

    2. Oktober: Weiterfahrt von Adana in Richtung Libanon.

    3. Oktober: Zwischenstation in Beirut.

    4. Oktober: Zwischenstation in Damaskus.

    5. Oktober: Die Kunzelmann-Gruppe trifft in Amman ein und absolviert in einem in der Nähe gelegenen palästinensischen Lager eine militärische Grundausbildung.

    22. Oktober: Abfahrt von Amman in Richtung Syrien. Da Ina Siepmann dort bleibt, verringert sich die Reisegruppe auf vier Mitglieder.

    23. Oktober: Zwischenstation in Damaskus.

    24. Oktober: Zwischenstation in Mersin.

    25. Oktober: Zwischenstation in Alanya.

    26. Oktober: Zwischenstation in Istanbul.

    27. Oktober: Zwischenstation in Graz.

    28. Oktober: Zwischenstation in Wien. Hier trennen sich Kunzelmanns Wege von zwei der anderen drei Reiseteilnehmer.

    29. Oktober: Abfahrt Kunzelmanns mit dem Zug von Wien nach München.

    30. Oktober: Zwischenstation Kunzelmanns in München.

    31. Oktober: Ankunft Kunzelmanns in Frankfurt. Treffen mit Presser.

    2. November: Kunzelmann kehrt nach West-Berlin zurück.

    9. November: Bombenanschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in der Charlottenburger Fasanenstraße

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