Das Insiderwissen eines Ex-Ministerpräsidenten und 9/11 Truthers

Francesco Cossiga war ab 1959 Staatssekretär im Verteidigungsministerium unter mehreren Regierungen. 1974 wurde er Minister ohne Geschäftsbereich und dann 1975 sowie 1976 bis 1978 Innenminister. Im August 1979 wurde Cossiga schließlich selbst Ministerpräsident.

1983 wurde Cossiga zum Präsidenten des Senats gewählt. Am 24. Juni 1985 wurde Cossiga bereits im 1. Wahlgang mit einer Zweidrittelmehrheit zum Präsidenten der Republik gewählt. Seine Amtszeit endete 1992.

Heute ist Cossiga Senator auf Lebenszeit und sorgt gelegentlich noch durch diverse politische Wortmeldungen für Aufsehen:

Im November 2007 erklärte Cossiga in einem Interview mit dem Corriere della Sera, dass das Video, in dem Osama Bin Laden Drohungen gegen Berlusconi ausgesprochen hatte, in Wahrheit in Berlusconis Mailänder Fernesehstudios gedreht worden sei. Überdies sei es in Geheimdienstkreisen ein offenes Geheimnis, dass die Anschläge vom 11. September 2001 „mit Unterstützung von CIA und Mossad geplant und durchgeführt” worden seien, um Interventionen in Afghanistan und im Irak möglich zu machen.

Die Preisgabe jener angeblich „offenenen Geheimnisse“ durch einen ehemaligen Ministerpräsidenten und Staatspräsidenten ließ natürlich die Herzen aller 9/11-Truthers höher schlagen. Zum Zeitpunkt seiner Aussagen im Jahr 2007 stand der Senator auf Lebenszeit allerdings schon über 15 Jahre nicht mehr im Zentrum der Macht. Cossiga hat daher wohl kaum irgendein Insider-Wissen, das zu wirklich neuen Erkenntnissen zu 9/11 führen könnte.

Allerdings hatte auch Italien ein 9/11:

Am 2. August 1980 erreichten Italiens bleierne Jahre mit einem Attenat auf den Hauptbahnhof von Bologna, bei dem 85 Menschen getötet wurden, ihren blutigen Höhepunkt – genau zu jener Zeit als Cossiga als Ministerpräsident die höchste Stelle im italienischen Staat innehatte.

Damals gab es in Italien militante Neofaschisten. Anders als in Deutschland war neben dem roten Terror auch der schwarze Terror verantwortlich für viele Morde.

Für die Tat von Bologna wurden die NAR-Terroristen Valerio Fioravanti und Francesca Mambro verurteilt

Obwohl die vermeintlichen Täter ohnehin wegen anderer Morde zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren, hatten sie den Anschlag von Bologna stets bestritten. Überführt wurden die Attentäter durch die Zeugenaussage eines Kriminellen namens Massimo Sparti. Allerdings behauptete dessen Sohn nachträglich, die Zeugenaussage seines Vaters sei eine Lüge gewesen.

In einem Interview mit dem Corriere della Sera  vom 8. Juli 2008 äußerte Cossiga, den Verdacht, dass es sich bei dem Attentat um einen „Unfall“ des „palästinensischen Widerstands“ gehandelt haben könnte.

Zwischen dem italienischen Geheimdienst und den Palästinensern habe es ein Übereinkommen gegeben, welches es palästinensischen Aktivisten erlaubte, von Italien aus zu operieren, solange man keine Anschläge gegen den italienischen Staat und seine Bürger verübte.

Durch die Verhaftung eines palästinensischen Aktivisten sei dieses geheime Abkommen in den Augen der Palästinenser gebrochen worden.

Tatsächlich hatte sich am Tag des Attentats der deutsche Terrorist Thomas Kram, dessen Organisation mit dem palästinensischen Terror zu jenem Zeitpunkt bestens vernetzt war, in Bologna aufgehalten.

Der damalige Ministerpräsident will über das Abkommen mit dem „palästinensischen Widerstand“ lediglich durch informelle Quellen, und niemals durch die „Dienste“ selbst informiert worden sein.

Bedenkt man, dass Francesco Cossiga von 1975 bis 1978 Innenminister gewesen war, erscheinen seine Beteuerungen, nicht in jene Geheimdienstermittlungen eingeweiht gewesen zu sein, als äußerst unglaubwürdig – zumal Cossiga sich an anderer Stelle damit rühmt, als einer der wenigen italienischen Politiker dazu in der Lage gewesen sei, die „Dienste zu benutzen“

Und immerhin wurde Cossiga für seine Verwicklung in die Gladio-Affäre 1993 sogar unter Anklage gestellt.

Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, dass der Ministerpräsident und davor langjährige Innenminister nicht in die vollständigen Einzelheiten der Ermittlungen zu einem Verbrechen, welches zweifellos staatspolitischen Charakter hatte, eingeweiht worden sein sollte.

Und so gibt es auch keinen plausiblen Grund, warum sich sein Wissensstand gegenüber seinem damaligen Wissensstand vermehrt haben sollte, und Cossiga erst jetzt nach über 28 Jahren Zweifel an der offiziellen Version bekommen haben sollte.

Daher ist es bemerkenswert, dass die italienischen Behörden, denen Cossiga als Ministerpräsident vorstand, ihre Ermittlungen lediglich gegen den rechten schwarzen Terror richteten, obwohl es offensichtlich auch schon zum damaligen Zeitpunkt auch andere Verdächtige gab.

Die NAR-Terroristen waren Mörder und Schwerverbrecher. Man bestrafte also keine Unschuldigen. Im Gegensatz  zum roten Terror hatte der schwarze Terror kaum Rückhalt in der Bevölkerung, im roten Bologna musste der Terror geradezu faschistisch sein, und auch den „palästinensischen Widerstand“ wollte man wohl nicht provozieren.

So waren die NAR-Verbrecher für die Staatsraison wohl die bequemsten Täter, die man für das wohl schlimmste politische Verbrechen der italienischen Nachkriegszeit präsentieren konnte.

Als Drahtzieher für das Verbrechen gilt heute die P2-Loge. Auf der deutschen Wikipedia-Seite wird dies als „mittlerweile gesichert“ angegeben.

Tatsächlich wurden auch mehrere Mitglieder der P2-Loge für ihre angebliche Behinderung der Ermittlungsarbeiten zu Haftstrafen verurteilt.

Die Theorie, dass die P2 hinter dem Anschlag gestanden habe, kommt all jenen zugute, die glauben, der rote Terrorismus sei von Elementen der Staatsmacht absichtlich provoziert worden.

Dass diese These ebenfalls zum Meinungs-Mainstream geworden ist, läßt sich ebenso am deutschen Wikipedia-Beitrag erkennen.

Ausgerechnet ein politisch links stehender Blogger hat jedoch neue Erkenntnisse, insbesondere zu Thomas Krams Anwesenheit in Bologna zum Vorschein gebracht.

Die Aufarbeitung der bleiernen Jahre dürfte wohl noch lange nicht abgeschlossen sein.

Möglicherweise kommt dabei auch noch ans Licht, welche Rolle der 9/11 Truther Francesco Cossiga dabei gespielt hatte…

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14 Antworten to “Das Insiderwissen eines Ex-Ministerpräsidenten und 9/11 Truthers”

  1. Karl Says:

    Vom Elend der antideutschen Propaganda:

    http://terrorexperte.blogspot.com/2009/12/die-fakten-belegen-911-war-inszeniert.html

  2. Karla Says:

    „was hat der von Ihnen verlinkte Beitrag mit „dem Elend antideutscher Propaganda“ zu tun?“

    Ein bisschen Nachdenken und Sie kommen schon noch selber drauf.

    „ich lese in dem Beitrag die üblichen Truther-Erkenntnisse, die ohnehin auch unser Zwangsgebüheren-TV gerne bringt:“

    Ach wirklich? FBI-Protokolle, die beweisen, dass es sich nicht um einfache Namensverwechslungen handelte sind in ihren Augen also die üblichen „Truther-Erkenntnisse“?

    Können Sie mir einen im „Zwangsgebühren-TV“ gezeigten Beitrag zeigen, der sich z.B. mit dem Protokoll von James Lechner beschäftigt?

    Wie gesagt, das Elend der antideutschen Propaganda. Sie haben gerade wieder einmal ein Beispiel abgeliefert.
    Vielen Dank!

    • aron2201sperber Says:

      ich gebe zu, ich muss mich schon anstrengen, um mich in Ihre Denkweise hineinzuversetzen, aber ich versuche es:

      die offizielle Al Qaida-Version ist „antideutsche Propaganda“ und „Terrorexperte“ hat dieses „Elend“ jetzt entlarvt?

      glauben Sie wirklich ernsthaft, die Ansicht, die Terroranschläge seien ein Werk islamistischer Terroristen gewesen, sei von einer Gruppe linker, deutscher Sektierer zur offiziellen Theorie gemacht worden?

      http://de.wikipedia.org/wiki/Antideutsche

      hier meine Meinung zur Bezeichnung „Antideutscher“:

      Antizionistischer Antirassismus?

      aber da „Antideutscher“ für Sie wahrscheinlich ohnehin mehr ein Synoym für die „jüdische weltverschwörung“ ist, werden Sie mich wohl auch weiterhin so bezeichnen…

      so wichtig sich deutsche „Terrorexperten“ (Zitat:“Dieser Artikel wird einen wichtigen Beitrag dazu liefern, schließlich werde ich darin nachweisen, dass die offizielle Version auf fabrizierten Beweisen beruht„)nehmen, so wichtig nehmen sie auch ihre „antideutschen“ Feinde…

      die Antideutschen hatten eine Absetzung der Taliban und Saddams befürwortet – diese Ansicht und nicht 9/11 kann man als typisch“antideutsch“ bezeichnen, sie blieb unter Linken, zu denen sich die „Antideutschen“ ja rechnen, stets ein Minderheitenprogramm…

      man kann über die Fehler im „war on terror“ diskutieren, nicht jedoch mit Menschen, die bestens dokumentierte Fakten beharrlich ignorieren oder bestreiten:

      http://en.wikipedia.org/wiki/9/11_conspiracy_theories
      http://en.wikipedia.org/wiki/Hijackers_in_the_September_11_attacks
      http://en.wikipedia.org/wiki/Mohamed_Atta_al_Sayed
      http://en.wikipedia.org/wiki/Marwan_al-Shehhi
      http://en.wikipedia.org/wiki/Hani_Hanjour

      würden sie mit mir darüber diskutieren, ob der Irak-krieg ein fehler war, wenn ich von der Prämisse ausgehe, dass Saddam doch eine Atombombe und Chemie-waffen gehabt hätte?

      noch zu http://terrorexperte.blogspot.com/2009/12/die-fakten-belegen-911-war-inszeniert.html

      die Meisterleistung der Piloten bestand nicht in außergewöhnlichem Flug-Können – es ist leichter ein Flugzeug, in ein großes Gebäude krachen zu lassen, als es sicher zu landen), sondern in der außergewöhnlichen wahnwitzigen kriminellen Energie.

      aus den FBI-Protokoll-Erkenntnissen versteht man gar nichts – die den Autor im Kommentarbereich loben, haben zwar sicher auch nicht mehr verstanden, aber sind begeistert: wenn eine Geschichte so kompliziert und undurchschaubar ist, muss der Autor ein genie sein, der trotzdem scheinbar weiß wovon er redet – und weil man selbst nicht als blöd dastehen will und 9/11 Truth eine tolle sache ist, lobt man den Kaiser für seine neuen Kleider einfach überschwenglich…

  3. aron2201sperber Says:

    back to topic:

    ein empfehlenswerter Beitrag zu Cossiga von Peter Riedlberger:

    „Altersdemenz oder Clownerie?“

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26806/1.html

  4. Der faschistische “Freimaurer” und der alte “Gaddafi Freund” « Aron Sperber's Weblog Says:

    […] man bedenkt, dass Franceso Cossiga von 1976 bis 1980 Innenminister und somit Chef der Inlandsgeheimdienste gewesen war, und bei der […]

  5. Tourist oder Terrorist? « Aron Sperber's Weblog Says:

    […] es ein Zufall gewesen sein, dass sich Thomas Kram einen Tag vor dem schlimmsten Terroranschlag der europäischen Nachkriegsgeschichte als “Tourist” in Bologna aufgehalten […]

  6. “Hexenjagden” « Aron Sperber's Weblog Says:

    […] Nicht jedoch ihre logischen Hintermänner in der italienischen Regierung. […]

  7. Unser „Amico Gaddafi“ im UN-Menschenrechtsrat « Aron Sperber's Weblog Says:

    […] Doch Cossigas Italien war nach dem Platzen des Eni-Petromin Deals mit Saudi-Arabien (durch den das italienische Parteiensystem in Form von „Tangenten“ finanziert werden sollte) auf die Geschäfte mit dem libyschen Terror-Paten dringend angewiesen: […]

  8. Vor 30 Jahren in Bologna « Aron Sperber's Weblog Says:

    […] Doch Cossigas Italien war nach dem Platzen des ENI-Petromin Deals mit Saudi-Arabien (durch den das italienische Parteiensystem in Form von „Tangenten“ finanziert werden sollte) auf die Geschäfte mit dem libyschen Terror-Paten dringend angewiesen: […]

  9. Gaddafi und seine Katholiken « Aron Sperber's Weblog Says:

    […] fand Gaddafi nicht nur unter Terroristen, sondern auch unter katholischen italienischen Politikern, die für gute Geschäfte stets bereit waren, alle bösen Streiche des Terrorpaten Gaddafi zu […]

  10. Fritz Wunderlich Says:

    anders als in deutschland?
    der rechtsextreme terror in deutschland wurde nur in den hintergrund gedrängt, durch die raf und bewegung 2.juni-berichterstattung
    münchen, wehrsportgruppe hoffmann, lemke, hepp, …

  11. Vor 31 Jahren in Bologna « Aron Sperber Says:

    […] Doch Cossigas Italien war nach dem Platzen des ENI-Petromin Deals mit Saudi-Arabien (durch den das italienische Parteiensystem in Form von „Tangenten“ finanziert werden sollte) auf die Geschäfte mit dem libyschen Terror-Paten dringend angewiesen: […]

  12. Unsinn an schweizer Unis « Aron Sperber Says:

    […] Vinciguerra kommt vor allem im Ausland gut an, denn bei aller italienischen Liebe zu Verschwoerungstheorien lassen sich seine Behauptungen bei einem Minimum an Kenntnissen der […]

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