Zwei banale Erpressungsversuche

Anläßlich des Gerichtsverfahrens gegen Verena Becker taucht in diversen Foren die alte RAF-Propaganda auf, gemäß der die RAF die Bundesrepublik von den Nazis gereinigt habe – unter anderem durch die Hinrichtung des „Nazi-Bonzen“ Hanns-Martin Schleyer.

Der banale Sinn seiner Entführung bestand selbstverständlich nicht darin, einen Nazi-Prozeß gegen ihn abzuhalten, sondern darin, die RAF-Terroristen zu befreien.

Als sich der Staat nicht erpressen ließ, rechtfertigte man den feigen Mord als eine „antifaschistische Tat“.

Am 16. März 1978 wurde aus den gleichen Gründen der Parteichef der italienischen Christdemokraten Aldo Moro entführt, und als die Erpressungsversuche scheiterten, ebenfalls als „Faschist“ hingerichtet.

In Italien waren die linken Meinungsmacher jedoch in der Verschwörungs-Logik der „Strategie der Spannung“ geübt und begnügten sich daher nicht mit der von den Terroristen vertretenen Sichtweise der „Faschisten-Exekution“.

Schon 1969, nach dem Anschlag auf eine Mailänder Bank, hatten sich Italiens Intellektuelle wie der spätere Nobelpreisträger Dario Fo nicht damit abgefunden, dass die „humanen Anarchisten“ für ein Massaker verantwortlich sein sollten (obwohl die Anarchisten blutige Anschläge zuvor in ihren eigenen Pamphleten gefordert hatten – und wichtige PCI-Politiker den Anarchisten die Anschläge damals durchaus zutrauten).

Sie konnten sich mit ihrer Sicht – es habe sich um einen von Rechtsextremen ausgeübten Anschlag gehandelt, der den „unschuldigen Anarchisten“ untergeschoben werden sollte – weitgehend durchsetzen:

Die anfänglich verhafteten Anarchisten wurden 1972 befreit, und stattdessen ermittelte und prozessierte man über 30 Jahre lang gegen die gesamte rechtsextreme Szene wegen des Anschlags auf die Bank.

Dass auch nach 30 Jahren keine Schuldigen verurteilt werden konnten, schadete der These nicht, sondern wurde sogar als zusätzliches Indiz einer besonders perfiden Verschwörung zwischen dem „rechten Staat“ und den „rechtsextremen Terroristen“ gedeutet.

Nach einer ähnlichen Logik wurde aus dem Christdemokraten-Führer Aldo Moro ein möglicher Koalitionspartner der Linken gemacht, der von seinen Parteigenossen bewußt geopfert worden sei, um den „historischen Kompromiß“ zwischen Christdemokraten und Kommunisten zu verhindern.

Hinter Moros Entführung steckten demnach die Geheimdienste (sowohl westliche als auch östliche – ausnahmsweise bekam sogar der KGB auch sein Fett ab), die beide eine Regierungsbeteiligung der Kommunisten verhindern wollten.

In Italien konnte selbst eine banale Entführung eines Christdemokraten, um ein paar Genossen herauszupressen, zu einer rechten Verschwörung gegen die Linke umgedeutet werden.

Daher verwurdert es nicht, dass der alte RAF-Verteidiger Ströbele beim Oktoberfest-Anschlag endlich auch der „italienischen Spur“ (die stets zu einer Verschwörung zwischen Staat und Rechtsextremen führt) nachgehen will.

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14 Antworten to “Zwei banale Erpressungsversuche”

  1. aron2201sperber Says:

    der ehemalige Links-Terrorist Andrea Colombo, einer der ganz wenigen, der versucht die Vergangenheit ohne seine alten ideologischen Scheuklappen aufzuarbeiten:

  2. tom93 Says:

    kann es wirklich sein, dass für dich „links“, „autonom“, „linksradikal“, „kriminell“, u.v.m. alles dasselbe ist?

    als würde man keinen unterschied zwischen dir und zb einem hanns-martin schleyer machen …

    armselig

  3. tom93 Says:

    das ist deine antwort?
    bemerkenswert.

    keine antwort ist ja auch eine antwort.

    • aron2201sperber Says:

      Kommunisten, Anarchisten und Autonome wird man wohl noch als „linksradikal“ bezeichnen dürfen?

      oder ist es etwa auch „undifferenziert“, die Wehrsportgruppe Hoffmann oder die NPD als „rechtsradikal“ zu bezeichnen?

      dass es sich bei den Linksradikalen um einen Monolith gehandelt habe, zu dem auch die demokratische Linke gehört hätte, habe ich nie behauptet.

      bei den Rechtsradikalen/ Konservativen Parteien/CIA/USA etc wird dies jedoch von „Strategie der Spannung“-Fans sehr wohl behauptet

  4. tom93 Says:

    quer durch’s netz schimpfst du auf „linke“ und unterstellst ihnen generell zb eine abneigung gegen israel.
    damit verjagst du auch noch die letzten linken -wie mich-, die israel alles gute wünschen.

    ebenso sind linke für dich generell islamophil, u.v.m.

  5. Bekämpfte die RAF den Faschismus? « Aron Sperber Says:

    […] deutsche RAF hatte Buback nicht auf Grund seiner NS-Mitgliedschaft ermordet, sondern als Vetreter der von ihr verhassten demokratischen […]

  6. „Strategie der Spannung“ « Aron Sperber Says:

    […] https://aron2201sperber.wordpress.com/2010/09/30/martin-schleyer-und-aldo-moro/ […]

  7. Buback und Baumann in trauter Zweisamkeit « Aron Sperber Says:

    […] Italien ging der linke Terror der 70er Jahre erst richtig los, nachdem es der Intelligenzija gelungen war, einen 1969 vermutlich von Anarchisten ausgeübten Anschlag auf eine Bank, einer […]

  8. Tom Says:

    Haben Sie Regine Igels Buch „Terrorjahre“ gelesen? In Italien hat es — im Gegensatz zu Deutschland — eine Aufarbeitung der Fälle durch unabhängige Staatsanwälte und Richter gegeben. Die Tatsache, dass es in Deutschland keinen Untersuchungsausschuss zu Gladio gegeben hat zeigt doch nur, wie tief der Sumpf hierzulande ist…

  9. Eine Bank als zufälliges Opfer? « Aron Sperber Says:

    […] verliebt war die Intelligenzija in ihre Theorie der “Strategie der […]

  10. Der letzte RAF-Prozess « Aron Sperber Says:

    […] Italien ging der linke Terror der 70er Jahre erst richtig los, nachdem es der Intelligenzija gelungen war, einen 1969 vermutlich von Anarchisten ausgeübten Anschlag auf eine Bank, einer […]

  11. Unehrenhafter NSU-Terror | Aron Sperber Says:

    […] der Erfinder des “Strategie der Spannung”-Mythos erhielt übrigens ebenfalls […]

  12. Traumland für Erpresser | Aron Sperber Says:

    […] sie trotz Moros Notlage hart geblieben waren, um die Entführungs-Spirale endlich zu stoppen, war eine ihrer wenigen verantwortungsbewussten […]

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