Archive for November 2008

Parallelen zum Sturz Mossadeghs

November 30, 2008

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Was ist los mit den Thais, die ich als sympathische und vernünftige Menschen kennengelernt habe?

Auf der einen Seite stehen die Anhänger des „Emporkömmlings“ Thasksin, der von den westlichen Medien als der „Berlusconi Asiens“ bezeichnet wird.

Auf der anderen Seite das Bündnis der alten Eliten, welches scheinbar von Justiz, Polizei und Armee unterstützt wird (Anders wäre die Flughafenbesetzung kaum möglich gewesen)

Von einer Einmischung von Außen (wie sie gerne in solchen Krisen unterstellt wird) kann bei diesem Konflikt kaum ausgegangen werden.

Trotzdem sehe ich gewisse Parallelen zum Sturz der iranischen Präsidenten Mossadegh von 1953.

Nach heutiger Sicht wird dieser Staatsstreich der CIA zugeschrieben, welche durch die Operation Ajax die Absetzung Mossadeghs unterstützt hatte. Die Entmachtung eines demokratisch legitimierten Politikers zugunsten einer Diktatur war mit Sicherheit kein Ruhmesblatt der US Aussenpolitik. Die Angst im kalten Krieg ein weiteres Land an die Kommunisten zu verlieren, verschuldete jenen Sündenfall.

Entscheidend für das Gelingen des Staatsstreichs war jedoch in erster Linie die aktive Beteiligung der persischen Elite. Möglicherweise wäre die Absetzung Mossadeghs auch ohne CIA Hilfe (in der Höhe von 1 Million Dollar) erfolgreich durchgeführt worden.

Leider wird seitdem gerade bei intellektuellen Iranern (oftmals die Kinder der Elite, die Mossadegh abgesetzt hatte – auch im damaligen Iran studierten wohl vornehmlich Menschen aus der Mittel- und Oberschicht) die USA für alle negativen Entwicklungen im Iran verantwortlich gemacht.

Zwischen Thaksin und Mossadegh bzw. ihren Gegnern, welche die populistischen, jedoch demokratisch legitimierten Politiker entmachteten, sind einige Gemeinsamkeiten zu finden.

Mossadegh konnte sich auf eine Mehrheit der Bevölkerung stützen. Beide wurden jedoch von mächtigen Teilen der Bevölkerung des Landes (insbesondere dem Militär) angefeindet.

Es bleibt zu hoffen, dass eine drohende Eskalation nicht zu ähnlichen politischen und gesellschaftlichen Langzeitfolgen wie im Iran führen wird.

Dass ausgerechnet die intelligenten und kultivierten Iraner vom unwirklichsten und fanatischsten Regime unserer Zeit beherrscht werden (und sich beherrschen lassen), gehört zu den größten Perversionen der aktuellen Zeitgeschichte.

Schweizer Prediger als Krisengewinnler

November 20, 2008

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Zitate

  • „Die Weltlandwirtschaft könnte problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren. Das heißt, ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet.“ (aus: We Feed the World)
  • „Heute stirbt […] alle sieben Sekunden ein Kind unter zehn Jahren an Hunger oder an mit Unterernährung verknüpften Krankheiten (aus „Wie kommt der Hunger in die Welt“). Im Jahr 2005 hat der Hunger mehr Menschen getötet als alle in diesem Jahr geführten Kriege zusammen.“ (aus: Das Imperium der Schande, S. 102)
  • „In diesem Augenblick habe ich mir geschworen, nie mehr – nicht einmal rein zufällig – auf der Seite der Henker zu stehen.“ (aus: Wie herrlich, Schweizer zu sein; im Kontext des im Kongo gesehenen Elends, Piper, 1993, S. 137)
  • „Wenn sie unterwegs sind, haben sie…immer ihre Laptops und ihre schematisierten Modellanalysen dabei. Sie wohnen in Luxushotels, halten sich in jedem Schuldnerland nicht länger als einige Tage auf und treffen nur mit ausgewählten Führungspersonen zusammen, wenn möglich solche, die in den USA studiert haben.“ (Jean Ziegler über den Realitätsverlust der Beamten des IWF in seinem Buch Die neuen Herrscher der Welt)
  • „Es kommt nicht darauf an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen“ (Ziegler, J; Das Imperium der Schande, Pantheon Verlag 2005)

Die urbanen Gesellschaften geben sich aufgeklärt. Die gläubigen Amis werden (wenig) milde belächelt.

Doch auch bei uns scheint das Bedürfnis nach Predigern einigermaßen stark ausgeprägt zu sein. In den letzten Jahren war die Weltklimareligion sehr en vogue.

Mit der Finanzkrise kommen Kapitalismus-Ankläger wie Jean Ziegler wieder stärker zum Zug.

Komplexe Themen wie die Welternährung werden in banalen Stehsätzen abgehandelt.

Jean Ziegler will nie wieder „auf der Seite der Henker“ stehen.

Diese sind bei Jean Ziegler nicht etwa totalitäre Regime, sondern das „Imperium der Schande“, welches es nicht schafft die Welt zu ernähren, sich aber „schamlos am Hunger der Welt bereichert“.

Dass die größten Hungersnöte des 20. Jahrhunderts durch glorreiche „antiimperialistische“ Projekte ausgelöst worden waren, ist dem großen Welternährungsexperten der UNO scheinbar nicht bekannt.

 

ORF produziert gigantischen Verlust

November 17, 2008

Trotz unverschämt hoher Zwangsgebühren hat der ORF am Finanzmarkt spekuliert und dabei viel Geld verloren.

Schauen die ORF Verantwortlichen nicht die zahlreichen eigenen, pädagogisch wertvollen Sendungen, in denen die Sünden des Kapitalismus angeprangert werden?

Ist der ORF etwa selbst gierig?

Wohl eher gibt es unzählige gierige Mäuler, die im ORF gestopft werden müssen:

Vom Betriebsrat bis zum Chauffeur – vom Ö1 Redakteur bis zum Stellvertreter des Intendanten des burgenländischen Landesstudios.

Auf alteingesessene Rechte wird in einem guten alten Staatsbetrieb nicht verzichtet. Bevor jemand zu kurz kommt, wird versucht das Geld an der Börse zu erzocken.

„Mehr Privat weniger Staat“ war ein blöder Slogan. Die umgekehrte Version ist aber sicher auch kein Allheilmittel.

Stop The Bomb Or Appease The Mullahs

November 12, 2008

Habe gestern die von STOP THE BOMB in Wien veranstaltete Podiumsdiskussion besucht.

Als prominente Gäste waren die Außenpolitik Chefredakteurin vom Kurier (immerhin die größte halbwegs seriöse Tageszeitung Österreichs) Livia Klingl und der österreichisch-israelische Maler und Sänger Arik Brauer geladen.

Sein erstes Album ist ein absoluter Klassiker des Austropops. Unlängst habe ich auch seine hochinteressante und wie erwartet wunderbar geschriebene Autobiographie gelesen. Wohl auf Grund seiner ganz speziellen Lebensgeschichte als Kind einer jüdischen Arbeiterfamilie und Immigrant im umkämpften Staat Israel unterscheiden sich manche seiner politischen Ansichten von jenen seiner Künstlerkollegen fundamental.

Trotzdem war gestern immer wieder sein Bedürfnis zu spüren, genauso sein zu dürfen wie seine alten Freunde, die immer wissen, dass sie auf der guten Seite stehen, Frieden statt Krieg wollen und sich mit den Armen und Unterdrückten überall auf der ganzen Welt solidarisieren können.

Arik Brauer hat an diesem Abend weitaus härtere und drastischere Dinge als Stephan Grigat ausgesprochen:

„alle Perser und Araber sind hoffnungslos verhetzt“

„die palästinänsichen Gebärmütter noch gefährlicher als die Bomben“

„es lässt sich leicht im Kaffehaus vom Frieden schwadronieren, wenn nicht die eigenen Enkelkinder schon beim Bus fahren ihr Leben riskierten“

Doch wenige politisch korrekte Stehsätze wie

„man muss gerade mit seinen Feinden reden“

reichten schon aus, um von Livia Klingl als Kronzeuge mißbraucht zu werden. So konnte Klingl am Ende allen pro-israelischen Nicht-Israelis am Podium vorhalten, aus der Ferne unrealistische martialische Sprüche zu klopfen, während Arik Brauer als einziger echter Israeli mit seinen Feinden reden wolle.

Selbstverständlich muss man mit seinen Feinden reden – es kommt aber darauf an, was man ihnen sagt – auf Vernichtungsdrohungen, muss man ganz klar antworten, dass man darüber nicht diskutieren kann und will. Zivilisierte Diplomatie – wie sie von Livia Klingl gefordert wird – ist unter solchen Umständen eine Illusion, die sich zwar der durchschnittliche europäische Intellektuelle oder eine völlig abgehobene jüdisch-amerikanische bzw. israelische „Geisteselite“ leisten kann – gewöhnliche Israelis können von solch einem Luxus nur träumen.

Livia Klingl ist eine typische 68er Welterklärerin. Bei ihren zahlreichen Reisen in den Iran hat sie es geschafft, nur Gegner eines Regimesturzes zu treffen (…“Bitte bloß keine Revolution“)

Woher sie die Kontakte zu diesen politisch so gemäßigten Iranern bekommen hat, kann ich mir gut vorstellen.

Als politisch bewusste, linke Journalistin kennt Livia Klingl sicher eine Menge politisch bewusster, linker Perser. Die persische Intelligenz hat leider das große Problem, die eigene Rolle bei der Revolution noch nicht verarbeitet zu haben.

Daher wird in diesen Kreisen lieber über die Schandtaten des Schahs und den Sturz Mossadeghs geredet. Über die vor 30 Jahren stattgefundene Revolution wird man von jenen Leuten so gut wie nichts Konkretes erfahren, während die Geschichte der vor 55 Jahren stattgefundene Operation Ajax in all ihren Einzelheiten und sämtlichen Hintergründen geschildert werden kann.

Als die Revolution begann ihre marxistischen Kinder zu fressen, war allerdings niemand so blöd in einen sozialistischen Bruderstaat zu flüchten und so musste auch niemand sein linkes Weltbild angesichts der hässlichen Ostblock Realität hinterfragen. Linke Juden waren übrigens nicht so klug und wurden, als sie in den 30er Jahren ins gelobte Land flohen, reihenweise ermordet.

Livia Klingls Kritik am iranischen Regime hat etwas zutiefst Beschwichtigendes: Die Mullahs seien „chaotisch, zersplittert, blockieren sich gegenseitig, seien außerdem sogar zu ungeschickt, eine Raffinerie im eigenen Land zu bauen.“

Mit den Juden „beschäftigen sich die Iraner nicht in ihrem Alltag, sondern stehen im Stau herum“.

So abwägend Livia Klingl den Ölmullah Staat beschreibt, so eindeutig und drastisch wird sie, wenn es um andere Dinge geht: „den Libanonkrieg, den Israel verloren habe und deswegen in der nunmehr alphabetisierten arabischen Welt als schwach gelte, der Situation Im Irak, die katastrophal sei und der Nahostpolitik der Bush Regierung, die 8 Jahre verschissen habe.“

Jeremiah Duggan and the „Conference To Stop War“

November 7, 2008

Diese Geschichte hat sich vor 5 Jahren in Deutschland zugetragen. Zufällig habe ich davon dank einer englischen Tagezeitung erfahren.

Jeremiah Duggan war ein englischer Jude, der an der Sorbonne studierte.

Im Frühjahr 2003 beteiligte er sich in Paris an Protesten gegen den Irak-Krieg und begann Interesse an politischen Themen zu entwickeln. Vor der Uni kaufte er sich die Zeitung „Nouvelle Solidarité“, die zu diesem Zeitpunkt mit Texten gegen den Irak-Krieg aufmachte. Er kam mit dem Verkäufer der Zeitung ins Gespräch, traf sich mit ihm und führte politische Diskussionen. Kurz darauf berichtete er seiner Mutter, dass sein neuer Freund die Antwort auf viele große Probleme in der Welt habe. Und er berichtete von dessen politischer Gruppe, die er sich nun näher anschauen wolle. Darum werde er ein Seminar in Deutschland besuchen.

Das Seminar in Bad Schwalbach bei Wiesbaden mit dem Titel „Conference To Stop War With Eurasian Development Strategy“ wurde ausgerichtet vom Schiller-Institut. Das Schiller-Institut ist Teil des internationalen Netzwerkes des Amerikaners Lyndon LaRouche, dessen in Deutschland bekanntester Teil die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) ist. Die LaRouche-Organisation ist eine Politsekte, die von sich glaubt, das „Patentrezept“ zur Lösung aller Probleme zu haben. Die Gruppe ist vollkommen auf ihren Führer Lyndon LaRouche ausgerichtet. Im Zentrum ihrer Ideologie steht ein System von Verschwörungstheorien. Die BüSo und das LaRouche-Netzwerk werden von den meisten SektenexpertInnen als rechtsextrem und antisemitisch bezeichnet.

Als er in Wiesbaden den Antikriegskongreß besuchte, kam er unter mysteriösen Umständen ums Leben.

Die deutschen Behörden stellten die Ermittlungen ein. Die Medien, die sonst über jeden Furz berichten, schwiegen weitgehend.

Sieg der urbanen Weltoffenheit?

November 7, 2008

 

New York und Los Angeles haben sich diesmal gegen Texas und Alaska durchgesetzt.

Doch wofür steht das blaue Amerika eigentlich?

Kultur, Mobilität und Weltoffenheit – lauter Dinge, die mir auch sehr sympathisch sind.

Aufgeklärte Europäer identifizieren sich scheinbar besonders gerne mit diesen Werten.

George W. Bush, der schießwütige und stinkreligiöse Cowboy aus Texas schien das komplette Gegenteil davon darzustellen.

Nur wird Amerika von Osama Bin Laden nicht wegen seiner Religiosität, seiner SUVs, seiner Country Music oder seiner Waffengesetze gehasst.

Auch Ölscheichs und Ölmullahs benutzen gerne Waffen und fahren fette Autos.

Der Westen wird nicht wegen seiner Konsumlust abgelehnt, sondern wegen seiner Gottlosigkeit.

Das rote Amerika mit seinen traditionellen Werten müsste sowohl den Ölmullahs als auch Osama Bin Laden wesentlich näher stehen als das blaue Amerika.

Es ist wohl kein Zufall, dass die Anschläge von 9/11 nicht in Texas, sondern in Manhattan stattgefunden haben.

Das rote Amerika ist jedoch wesentlich bereiter, für die amerikanischen Werte einzutreten als das blaue Amerika.

Zumindest im Moment noch.

Bei den Republikanern hat es immer auch starke Tendenzen gegeben, sich gegenüber der Welt zu isolieren. Geostrategisch wäre das für die Amerikaner auch wesentlich leichter möglich als für uns Europäer. Der Präsidentschaftskandidat Ron Paul war ein überzeugter Gegner des Irakkriegs. Er hat einen Ausblick gegeben, wofür die Republikaner in Zukunft wieder stehen könnten.

Wer könnte in so einem Fall die Amerikaner beim Eintreten für unsere universellen Werte ersetzen?

Mit Sicherheit nicht wir Europäer.

Am Balkan haben wir sofort nach dem Sheriff gerufen.

Wir sind nicht einmal bereit, die säkulare Türkei zu unterstützen (auch wenn wir einer Kopftuch-Türkei niemals erlauben würden, der EU beizutreten)

Von einer starken Rolle im Nahostkonflikt und einer klaren Position gegenüber dem Iran ganz zu schweigen

Obama wird die Wahlen gewinnen.

November 3, 2008

Die Republikaner werden als Regierende für die Finanzkrise zur Verantwortung gezogen – das läßt sich an Hand der Trendwende in den Umfragen leicht erkennen.

McCains Thema wäre der Irakkrieg gewesen. Dort sind die Opferzahlen sowohl bei US Soldaten als auch bei Zivilisten so niedrig wie noch nie.

Es ist anders gekommen. Ich hoffe und glaube aber, dass auch Obama einen guten Job machen wird.

Muslimische Islamkritiker und jüdische Israelkritiker – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

November 3, 2008

Ayaan Hirsi Ali, Seyran Ates, Necla Kelek und Bassam Tibi haben mit Noam Chomsky, Norman Finkelstein, Mosche Friedmann und Uri Averny einiges gemeinsam.

Beide Guppen haben sich sozusagen gegen die eigene Gemeinschaft gestellt. Die Gefahr von Rassisten bzw. Antisemiten als Kronzeugen mißbraucht zu werden, ist bei beiden groß.

Während die einen die Ideologie des Islamismus anprangern, kritisiern die anderen einen demokratischen Verfassungsstaat.

Der große Unterschied ist, dass sich Bassam Tibi & Co mit dem Verfassungstaat als Gegenmodell zum ideologischen Staat identifizieren, während Chomsky und Co zwar Israel, die USA und ganz allgemein den „Westen“ kritisieren, aber sich nicht mit den islamistischen Staaten und Bewegungen identifizieren.

Chomsky und Bin Laden haben lediglich einen gemeinsamen Feind – die muslimischen Islamkritiker sind dagegen echte Freunde der säkularen Demokratie.